Weltnaturabkommen: Montreal-Moment mit Mängeln
Am Montag ging die Weltnaturkonferenz – das 15. Vertragsstaatentreffen der Konvention über biologische Vielfalt (CBD COP 15) – in Montreal zu Ende. Zwei Wochen hatten 196 Staaten um einen neuen globalen Biodiversitätsrahmen gerungen. Das neue Abkommen muss nun noch von allen ratifiziert werden. Umweltverbände begrüßten die Entscheidung, sehen aber auch Mängel.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte das „historische Ergebnis“. Denn die Abschlusserklärung enthalte „zentrale Forderungen der EU“, unter anderem das 30x30-Ziel für Unterschutzstellung und Wiederherstellung von Ökosystemen an Land und im Meer. Außerdem wird es einen globalen Biodiversitätsfonds geben, für den bis 2030 jährlich mindestens 200 Milliarden US-Dollar mobilisiert werden sollen. Die Länder des globalen Südens sollen bei der Umsetzung der neuen Vereinbarung jeweils jährlich bis 2025 mit 20 Milliarden und bis 2030 mit 30 Milliarden US-Dollar unterstützt werden. Bundsumweltministerin Steffi Lemke nannte das Abkommen einen „Durchbruch“ und einen „Schutzschirm“ für die Natur.
Was steckt drin im Kunming-Montreal-Abkommen über die biologische Vielfalt?
- Wiederherstellung von 30 Prozent der degradierten Ökosysteme weltweit (an Land und im Meer) bis 2030;
- Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung von 30 Prozent der Gebiete (Land, Binnengewässer, Küsten- und Meeresgebiete) bis 2030 (insbesondere Gebiete mit besonderer Bedeutung durch ökologisch repräsentative, gut vernetzte und gerechte Schutzgebietssysteme und andere Schutzgebietssysteme und andere wirksame gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen);
- das Aussterben bekannter Arten stoppen und das Aussterberisiko und die Aussterberate aller (auch unbekannter) Arten bis 2050 um ein zehnfaches reduzieren;
- das Risiko durch Pestizide um mindestens 50 Prozent bis 2030 reduzieren;
- die Nährstoffverluste für die Umwelt um mindestens 50 Prozent bis 2030 reduzieren;
- Verschmutzungsrisiken und die negativen Auswirkungen der Verschmutzung aus allen Quellen bis 2030 auf ein Niveau eindämmen, das der biologischen Vielfalt und den Ökosystemfunktionen nicht schadet;
- den globalen Konsumfußabdruck bis 2030 verringern, beispielsweise durch eine deutliche Verringerung des übermäßigen Konsums und der Abfallerzeugung sowie die Halbierung der Lebensmittelverschwendung;
- nachhaltige Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen, aquakulturellen, fischereilichen und forstwirtschaftlichen Anbauflächen und erhebliche Ausweitung der Agrarökologie und anderer biodiversitätsfreundlicher Praktiken;
- Bewältigung des Klimawandels durch naturbasierte Lösungen
- Einbringung und Ansiedlung invasiver gebietsfremder Arten um mindestens 50 Prozent bis 2030 verringern;
- sichere, legale und nachhaltige Nutzung und Handel mit wildlebenden Arten bis 2030;
- Begrünung des städtischen Raums.
Der NABU sieht in der Einigung noch „einige Schwachstellen“ und sorgt sich vor allem um die Praxisfragen und die fehlenden Kontrollen und Sanktionen. Es fehlten konkrete Vereinbarungen zur Umsetzung und messbare Ziele. Das Abschlussabkommen reiche nicht aus, um den Verlust der Artenvielfalt und Ökosysteme zu stoppen oder umzukehren. Von den schätzungsweise acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde seien laut Weltbiodiversitätsrat IPBES mindestens eine Million vom Aussterben bedroht, so die Organisation.
Auf EU- und bundesdeutscher Ebene
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) forderte von der deutschen Regierung und der EU, dass sie sich für eine entsprechend ehrgeizig ausgerichtete EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur einsetzen. Nachbesserungsbedarf sähen Umweltorganisationen insbesondere bei den Wiederherstellungszielen der Meeresumwelt. Die Verordnung müsse außerdem gewährleisten, dass auch die gemeinsame europäische Fischereipolitik zur Erreichung des Ziels beiträgt. Zudem müssten 10 Prozent der Agrarlandschaft für artenreiche Landschaftselemente vorgesehen und landwirtschaftlich genutzte Moore auf landwirtschaftlichen Flächen wiederhergestellt werden. Dies alles brauche eine solide Finanzierung, so der DNR.
Derweil will Deutschland seine Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) neu auflegen. Sowohl der neue CBD-Rahmen als auch die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 enthalte neue Zielvorgaben für 2030. Das von der Bundesregierung beauftragte Nova-Institut begleitet den Prozess zur Neuauflage der NBS 2030, der eine inhaltlich- strategische Neuausrichtung, eine verbindlichere Umsetzung, die Integration eines Ambitionssteigerungsmechanismus, eine Verbesserung der Messbarkeit sowie eine Weiterentwicklung des Dialogprozesses zur Begleitung der künftigen Umsetzung vorsieht. Ende 2023/Anfang 2024 ist die Verabschiedung der NBS 2030 durch das Bundeskabinett vorgesehen (Informationen). [jg]
Kunming-Montreal Global biodiversity framework (engl.)
EU-Kommission:
- COP15: Kommissionspräsidentin von der Leyen begrüßt „historisches Ergebnis“ der Weltnaturkonferenz
- Geber-Verpflichtung bei der COP 15: Mehr Geld für biologische Vielfalt
- COP15: EU will Verlust der biologischen Vielfalt eindämmen und umkehren
BMUV:
- Montreal Moment für die Natur
- Weltnaturkonferenz: Deutschland und Kolumbien starten Umsetzungs-Initiative
- Naturschutz und biologische Vielfalt in Entscheidungen von Investoren und Unternehmen verankern
Berichterstattung Riffreporter
NABU: Weltnaturkonferenz verabschiedet neues Weltnaturabkommen und Rund 200 Staaten beschließen ein neues Weltnaturabkommen - Freude über Einigung, Sorge um Umsetzung