„Zukunft.Gestalten.Jetzt!“ – Politisch Handeln für Umwelt- und Klimaschutz
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) kann nicht nur zu individuellem Handeln befähigen, sondern auch zu einem Handeln, das Strukturen verändert. In Umweltbildungszentren (UBZ) der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU) wurde ein Workshop-Konzept mit jungen Menschen erprobt, die Interesse an politischem Engagement haben und sich nachhaltigere Strukturen wie einen preisgünstigen öffentlichen Verkehr oder ein Solardach auf der Schule wünschen.
Kriege, Klima- und Biodiversitätskrise und die Pandemie steckt auch noch in den Knochen: Junge Menschen stehen heute multiplen Krisen gegenüber, die ihr Leben massiv beeinflussen. Eine Aufgabe von BNE besteht darin, mit jungen Menschen zu erarbeiten, wie ihr Umgang mit Krisen aus Nachhaltigkeitsperspektive produktiv und ausgerichtet auf ein gutes Leben für alle in Zukunft gelingen kann. Trotz einer kritischen Einstellung gegenüber der etablierten Politik ist die deutliche Mehrheit junger Menschen politisch interessiert und bereit, sich zu engagieren. Die drei größten Barrieren für ihr politisches Engagement sind: dass sie sich als einflusslos wahrnehmen, dass sie sich als zu jung dafür empfinden und dass sie zu wenig Wissen von der „komplizierten Materie“ hätten.
Voraussetzungen für politisches Handeln in der BNE
Beim bundesweiten Fachtag „Die Rolle politischen Handelns als Inhalt in der außerschulischen BNE“ hat die ANU 2022 Unterstützung von Expert*innen der politischen Bildung wie Oliver Emde eingeholt. Kriterien für politisches Handeln im Kontext von Bildung und Lernen basieren demnach unter anderem auf dem Beutelsbacher Konsens und der Frankfurter Erklärung. Danach ist es unter anderem wichtig, Lernenden reales politisches Handeln zu ermöglichen, das sich regelmäßig mit Reflexionsmomenten abwechselt. Eine Voraussetzung für politische Bildung ist, dass Pädagog*innen die Teilnehmenden nicht mit ihrer eigenen Haltung „überwältigen“, sondern sie zu eigenen freien Entscheidungen befähigen. Das bedeutet keineswegs, dass die Pädagog*innen neutral sein müssen.
Umweltbildungszentren (UBZ) sind gut geeignete Orte, um politisches Handeln zu fördern. Durch ihre ohnehin sehr handlungsorientierten Bildungsangebote bieten sie hervorragende Möglichkeiten, auch politisches Engagement aus dem Abstrakten herauszuholen und konkret zu machen. Pädagog*innen der UBZ stellen dafür ihr Fachwissen zu den Themenbereichen Umwelt- und Klimaschutz bereit. Sie sind zudem in der Region vernetzt und können jungen Menschen Ansprechpersonen für ihr Anliegen empfehlen. Nicht zuletzt bieten Räume in Umweltzentren oft ein grünes und kreatives Umfeld, in dem Interessierte aus Gewohntem herauskommen können.
Politisches Engagement entsteht nur auf freiwilliger Basis
Die ANU hat 2023 ein Konzept für Tagesworkshops „Politisch Handeln – aber wie?!“ entwickelt, die in UBZ stattfinden und sich an politisch interessierte junge Menschen von 14 bis 25 richten. ANU und UBZ bieten darüber hinaus Coachings an, in denen sie Teilnehmende unterstützen, ihre Aktionsidee umzusetzen. Bei der Erstellung des Konzepts waren Vertreter*innen aus politischer Bildung, UBZ und junge Menschen beteiligt.
Die Teilnehmenden finden im Workshop ihr Herzensthema und entwickeln Aktionsideen, die sie danach durchführen können. Wichtig ist die freiwillige Teilnahme der jungen Menschen, denn politisches Engagement sollte im Sinne guter politischer Bildung nicht erzwungen werden. Auch Methodenvielfalt auf kognitiver wie emotionaler Ebene und eine starke Orientierung an den Wünschen und Bedarfen der Teilnehmenden kennzeichnen das Konzept. So identifizieren die Teilnehmenden zu Beginn Themen in den Schlüsselbereichen Energie, Ernährung und Mobilität, die sie besonders motivieren, etwas verändern zu wollen. Dazu entwickeln sie dann ihre eigene utopische Zukunftsvision 2050 in einer Traumreise. Ihnen eröffnen sich dadurch Möglichkeitsräume des eigenen Handelns und sie können die Vision zukünftig als Bezugspunkt nutzen, um bei der gegebenenfalls hürdenreichen Umsetzung ihrer Aktionsidee hoffnungsvoll zu bleiben.
Um verschiedene Formen politischen Engagements kennenzulernen, interviewen die Teilnehmenden eine bereits politisch aktive junge Person oder sie erkunden schriftliche Portraits junger Menschen und weitere Dokumentationen (lokaler) Aktionen. Auch der Germanwatch Handabdruck-Test kann genutzt werden, in dem Teilnehmende entlang eigener Interessen auf sie zugeschnittene Aktions-Vorschläge erhalten. In Kleingruppen lassen sich dann Aktionsideen spinnen und kreativ darstellen.
Acht Workshops in fünf UBZ fanden statt. Dort wurden vielversprechende Motivationen junger Menschen deutlich, aktiv zu werden, und es gab viele Impulse für Veränderungen. Es entstanden Ideen wie ein 9-Euro-Ticket für Schüler*innen und Auszubildende, Nutzung von Schuldächern für Solaranlagen, Dachbegrünung oder Anbau von Nahrungsmitteln und Zugang zu nachhaltiger Ernährung in der Schule beziehungsweise Universität.
Zu den Tagesworkshops gab es durchweg positive Rückmeldungen von Expert*innen und jungen Menschen. Eine grundlegende Herausforderung besteht aber in der Akquise junger Menschen. Gründe hierfür könnten sein: Das Angebot ist noch unbekannt, UBZ sind häufig weit weg und nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Nach der Corona-Pandemie sind manche junge Menschen müde, sich mit ernsten Themen zu beschäftigen, die Bewerbung fiel in Zeit vor Sommerferien und der Einstieg war hochschwellig: Nur wer schon weiß, dass er*sie politisch handeln will, wird sich anmelden.
Derzeit entwickelt die ANU das Konzept gemeinsam mit jungen Menschen, UBZ und Expert*innen weiter. Bis 2025 werden wir zum Beispiel andere Informationswege und kürzere Workshopformate erproben.
Die Autorinnen
Annette Dieckmann ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband.
Julia Pesch ist Referentin für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
Zusammen bearbeiten sie das Projekt „Zukunft.Gestalten.Jetzt! – Politisch Handeln für Umwelt- und Klimaschutz. Fortbildung und Coaching für junge Menschen durch Umweltbildungszentren“, das die ANU mit finanzieller Förderung des Umweltbundesamts und Bundesumweltministeriums durchführt.