Nordsee und Atlantik: Rechtswidrige Fangquoten?
Auch im kommenden Jahr wird es Kabeljau, Seelachs und Scholle mehr als wissenschaftlich empfohlen an den Kragen gehen. Der Fischereirat hat die Fangmöglichkeiten 2020 für Nordsee und Atlantik beschlossen. Kritik kommt von Seas At Risk, Deutscher Umwelthilfe und der Kampagne Our Fish.
Der Rat hat sich eng an den Kommissionsvorschlag (EU-News 28.10.2019) gehalten, die wiederum auf Grundlage der wissenschaftlichen Gutachten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) für 2020 folgende Vorschläge unterbreitet hatte:
- die derzeitigen Fangbeschränkungen für 32 Bestände erhöhen oder beibehalten,
- Reduzieren der Quoten bei 40 Beständen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) analysierte, dass die Fangquoten sich "zwar so stark wie nie zuvor an wissenschaftlichen Empfehlungen" orientierten, für einige Bestände dennoch "deutlich zu hoch" lägen. Das in der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) gesetzlich vorgeschriebene Ziel, die Überfischung bis 2020 zu beenden, werde deshalb verfehlt, kritisierte die DUH. Sie hält die Beschlüsse für "teilweise rechtswidrig". Darüber hinaus könne sich der Kabeljaubestand nicht erholen und die illegalen Rückwürfe bereits gefangener, aber für zu klein befundener Fische könnten auch nur mit besseren Kontrollen eingedämmt werden.
Seas At Risk kritisierte, dass sich "jeder an Gesetze halten muss - die Politik sei keine Ausnahme" - und der Rat habe für den Gesetzesbruch und damit für die Überfischung auch 2020 entschieden. Es sei schlimmer als im vergangenen Jahr, die FischereiministerInnen hätten mehr nicht nachhaltige Fangbeschränkungen festgelegt und etwa die Hälfte davon ignoriere wissenschaftliche Empfehlungen. Besonders bei nicht ausreichender Datenlage entschieden die Verantwortlichen meist für zu hohe Quoten. Dabei seien alle Fischpopulationen wichtig, um die marinen Ökosysteme gesund und im Gleichgewicht zu halten.
Nina Wolff, stellvertretende Vorsitzende und Fischerei-Expertin von Slow Food Deutschland kommentierte: „Seit der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) 2013 haben die europäischen Minister unbestritten Fortschritte bei der Nachhaltigkeit der Bestände und damit auch der europäischen Fischprodukte gemacht. Doch trotz der Selbstverpflichtung der EU zu einem ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziel wurden Jahr um Jahr zahlreiche Fanggrenzen zu hoch angesetzt und damit dem guten Umweltzustand unserer Meere geschadet. Anders als in den Jahren zuvor handelt es sich bei der Missachtung der für 2020 rechtlich bindend festgelegten Frist nicht mehr allein um politische Unvernunft, sondern um einen klaren Rechtsbruch“.
Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bewertete die Fangmöglichkeiten in der Nordsee "insgesamt zufriedenstellend mit den üblichen Schwankungen bei einzelnen Beständen". Der Fischereirat habe "Verantwortung bewiesen" und "Planungssicherheit" für deutsche FischerInnen geschaffen.
Fangquoten 2020 (nach Angaben des BMEL)
Hering: EU-Quote: 230.755 Tonnen / Deutsche Quote: 39.404 t/ +/-0% im Vergleich zum Vorjahr
Scholle: EU-Quote: 89.728 t / Deutsche Quote: 5.177 t / -3%
Seelachs: EU-Quote: 38.728 t / Deutsche Quote: 8.314 t / -15%
Kabeljau: EU-Quote: 12.216 t / Deutsche Quote: 1.584 / -50%
Schellfisch: EU-Quote: 27.753 t / Deutsche Quote: 1.288 t / + 23%
Makrele (Nordostatlantik): EU-Quote: 368.031 t / Deutsche Quote: 23.416 /+41%
[jg]