Wissenschaftlichkeit der Glyphosat-Zulassung steht in Frage
2015 stuften EU-Behörden Glyphosat als nicht krebserregend ein. Die Studien, auf denen diese Bewertung basiert, seien jedoch methodisch nicht korrekt gewesen, erklärten Krebsforscher*innen aus Wien vergangene Woche.
Nur zwei der 53 eingereichten Studien zur Genotoxizität von Glyphosat erfüllten die notwendigen wissenschaftlichen Anforderungen und seien somit zuverlässig gewesen, schreiben die Wissenschaftler*innen in ihrer Studie. 17 Studien seien immerhin „teilweise zuverlässig“. 34 Studien bewerten sie jedoch als „nicht zuverlässig“. Diese von Herstellern eingereichten Untersuchungen über die genotoxischen - also erbgutverändernden - Wirkungen von Glyphosat bildeten die Grundlage für die Zulassungsprüfung des Pestizids.
Das deutsche Bundesamt für Risikoforschung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatten im Zuge der Risikobewertung 45 dieser Herstellerstudien als ausreichend methodisch korrekt angesehen und ihre Aussagen für die Bewertung des Stoffs verwendet. Anschließend stuften sie Glyphosat auf dieser Grundlage als „nicht krebserregend“ ein und ermöglichten somit seine weitere Zulassung in der EU (siehe EU-News vom 16.11.2015).
Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten die EFSA auf, die Erkenntnisse der Wissenschaftler für die nun anstehende erneute Zulassungsprüfung von Glyphosat zu berücksichtigen. Im Juni hatten verschiedene nationale Behörden erklärt, dass sie keinen Bedarf für die Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Studien und eine Überarbeitung der Risikobewertung sehen (siehe EU-News vom 17.06.2021).
Wie die Health and Environment Alliance (HEAL), Corporate Europe Observatory (CEO), Global2000, das Pestizid Aktionsnetzwerk Germany und die Organisation Sum of Us berichteten, seien 38 der betroffenen Studien auch für die nächste Zulassungsprüfung wieder von Herstellern eingereicht worden. Die aktuelle Zulassung für Glyphosat läuft Ende 2022 aus.
Für Angeliki Lyssimachou, Umweltwissenschaftlerin bei HEAL, sind die Ergebnisse der österreichischen Studie ein Beleg dafür, dass „das bestehende Zulassungsverfahren offensichtlich nicht streng genug ist, um Fehler bei der Durchführung der regulatorischen Studien zu erkennen, die blind als Goldstandard gelten“.
Es werde wieder einmal deutlich, dass „nationale Regulierungsbehörden und EU-Behörden anscheinend nicht genau hinschauen, wenn es um die Qualität der eigenen Studien der Industrie geht“, erklärte Nina Holland, Wissenschaftlerin bei CEO. „Das ist schockierend, denn es ist ihre Aufgabe, die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zu schützen, nicht die Interessen der Pestizidindustrie zu bedienen“, so Holland.
Neben den Organisationen forderten auch die Abgeordneten des EU-Parlaments kürzlich, die Zulassung für Glyphosat nicht noch einmal zu verlängern (siehe EU-News vom 09.06.2021). [km]
HEAL: Revealed: EU Glyphosate assessment was based on flawed science
Global 2000: Nur 2 von 53 Studien über DNA-Schädigung durch Glyphosat zuverlässig
Evaluation of the scientific quality of studies concerning genotoxic properties of glyphosate