Landwirtschaft Kompakt: Zukunft der Pestizide, EU-Agrarpolitik in 2022, GAP-Reform
Der Umgang mit Pestiziden in der EU sorgt weiterhin für Streit zwischen Umweltschutzverbänden und Behörden. Nächstes Jahr will die EU-Kommission eine Neuauflage der Pestizidgesetzgebung präsentieren. Indes steht der Zeitplan für die Abstimmung zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fest.
Pestizide: fehlende Transparenz, fehlende Daten, Erfolg der EBI, Zukunft der Gesetzgebung
Wie die Umweltrechtsorganisation Client Earth vergangene Woche mitteilte, hat sie vor dem Gericht der EU Klage gegen die EU-Kommission eingereicht. Der Grund: Die EU-Exekutive weigere sich, die Standpunkte der nationalen Regierungen über die Zulassung von Pestiziden offenzulegen. Die im Rahmen des Ständigen Ausschusses für Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) getroffenen Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen gefällt – dabei gehe es um die Genehmigungen für die Verwendung gefährlicher Pestizide. Konkret geht es derzeit um die Genehmigung des Stoffs Cypermethrin. Für Anne Friel, Anwältin für Umweltdemokratie bei Client Earth ist klar: „Wir haben das Recht zu erfahren, welche Mitgliedstaaten jetzt darauf drängen, die Zulassung für ein Pestizid zu verlängern, das nachweislich hochgradig giftig für die Umwelt ist, und warum sie diese Position eingenommen haben. Wir glauben, dass die EU-Transparenzvorschriften die Kommission rechtlich dazu verpflichten, diese Informationen allen zugänglich zu machen.“
Gemeinsam mit 20 weiteren Organisationen richtete Client Earth in dieser Woche zudem Empfehlungen an die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses (ARGI) des EU-Parlaments. Die Abgeordneten stimmen nächste Woche über einen Vorschlag der EU-Kommission für eine Überarbeitung der Verordnung über Statistiken zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und zur landwirtschaftlichen Erzeugung (SAIO) ab. In ihrem Papier fordern die Organisationen, mit der Verordnung sicherzustellen, dass alle relevanten Daten über den Verkauf und das Ausbringen von Pestiziden, Bioziden, Düngemitteln und Tierarzneimitteln erfasst und veröffentlicht werden. „In der EU hat derzeit niemand ein umfassendes und genaues Bild davon, in welchem Umfang Mensch und Umwelt diesen Chemikalien tatsächlich ausgesetzt sind“, so Client Earth.
Die von einem breiten Bündnis europäischer Organisationen unterstützte Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Save Bees and Farmers“, die einen schrittweisen Ausstieg aus synthetischen Pestiziden einfordert, hat derweil ihr Unterschriftenziel erreicht. 1.161.256 EU-Bürger*innen unterstützten die Forderungen der EBI bis zum Ende der Sammlungsfrist vergangene Woche. Das bedeutet, dass die EU-Kommission sich mit den Forderungen beschäftigen muss.
Tatsächlich wird die EU-Kommission im kommenden Jahr ihre Pläne für einen nachhaltigen Umgang mit Pestiziden präsentieren. Wie in der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt und nun durch das vorab öffentlich gewordene Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2022 bestätigt, steht im Mai die Überarbeitung der Richtlinie über einen nachhaltigen Umgang mit Pestiziden an. Die Richtlinie soll dazu beitragen, den Einsatz und die Risiken von Pestiziden bis 2030 zu halbieren.
Für das Pestizid Aktionsnetzwerk PAN Europe lassen die derzeitigen Diskussionen in der Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission (DG SANTE) jedoch Zweifel am Ehrgeiz der Überarbeitung der Richtlinie aufkommen. Vertreter*innen der DG hätten in einem Treffen zu dem Thema Optionen vorgeschlagen, die „in völligem Widerspruch zu den Zielen der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie“ stünden, so PAN Europe. Statt auf Lösungen wie längere Fruchtfolgen, Verwendung nicht gentechnisch veränderter resistenter Sorten und die Anlockung von Nützlingen durch Landschaftselemente zu setzen, tendiere die EU-Kommission zu industriellen High-Tech-Lösungen. Diese würden „die europäischen Landwirt*innen weiter in ihrer Abhängigkeit von der Agrochemie-Industrie halten“, erklärte Natalija Svrtan, Aktivistin bei PAN Europe.
Spekulationen um Bericht zur Farm-to-Fork-Strategie
Wie das Nachrichtenportal Euractiv berichtet, habe die EU-Kommission versucht, einen Bericht über die Auswirkungen der Farm-to-Fork Strategie „in aller Stille“ zu veröffentlichen. Die eigentlich für Januar 2021 geplante Präsentation sei erst in der ruhigen Sommerpause geschehen. In der Studie komme die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission zu dem Schluss, dass eine Verbesserung der Umweltbedingungen in der Landwirtschaft mit einer Verringerung des EU-Angebots an landwirtschaftlichen Erzeugnissen um 10 Prozent einhergehen würde, so Euractiv. Laut einer Sprecherin der EU-Kommission sei die Studie veröffentlicht worden, „als wir bereit waren.“
Weitere Schritte der GAP-Reform
Wie das Nachrichtenportal Agra-Europe berichtet, stehen inzwischen die Termine für die Abstimmungen des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten zum Kompromiss der GAP-Reform ab 2023 fest. Nachdem im September bereits der zuständige Agrarausschuss im EU-Parlament über die drei Dossiers abgestimmt hatte (siehe EU-News vom 16.09.), soll das Plenum am 23. November über die Verabschiedung entscheiden. Im Rat stehe die GAP-Reform am 2. Dezember auf der Agenda, so Agra-Europe.
Eric Andrieu (S&D, Frankreich), Berichterstatter für die Verordnung zur Gemeinsamen Marktorganisation, hatte im Sommer damit gedroht, den Kompromiss im Parlament nicht zu unterstützen, „wenn wir sehen, dass der Kampf für die Umwelt und die Achtung der Artenvielfalt die großen Verlierer sind.“ [km]
Clientearth: Lawyers take Commission to court to end secrecy of pesticides approval
Clientearth: Time to modernise the European data on chemicals used in agriculture
Bericht zu Agrarstatistiken auf der Agenda des AGRI-Ausschusses am 11. und 12. Oktober
Europäische Bürgerinitiative “Save Bees and Farmers“
Euractiv: On EU-Commission’s menu for agri in 2022: Pesticides, carbon removal, packaging
PAN Europe: DG Sante is derailing the pesticides reduction objectives of the European Green Deal
Euractiv: Commission sat on Farm-to-Fork report for months, published quietly in August
Agra-Europe: GAP-Reform: Zeitplan zur endgültigen Verabschiedung steht (kostenpflichtig)