Investitionen statt Finanzfesseln
Die Transformation darf keine Verhandlungsmasse sein
Vor der Bundestags-Debatte zum Haushalt 2024: DNR, Germanwatch, IGBCE und WWF fordern Versachlichung der Debatte über die langfristige Finanzierung der Transformation, um Arbeitsplätze, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Die Diskussionen rund um den Haushalt 2024 zeigen aus Sicht der Industriegewerkschaft IGBCE sowie der Umweltverbände DNR, Germanwatch und WWF Deutschland, dass dringende Zukunftsaufgaben wie die Klimaschutz-Transformation mit einem „Weiter so” in der Finanz- und Haushaltspolitik nicht zu lösen sind. Wichtige Vorhaben mussten gekürzt oder auf Eis gelegt werden, Investitionen in die Transformation werden gegen sozialen Ausgleich ausgespielt.
Dadurch wird die Unsicherheit bei Unternehmen wie Haushalten weiter verstärkt und dringende Investitionen in die Klimaneutralität – vor allem auch in den energieintensiven Industrien – werden nicht getätigt. Unterm Strich werden so Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und gute Arbeitsplätze, das Erreichen der Klimaschutzziele und der gesellschaftliche Zusammenhalt gleichermaßen aufs Spiel gesetzt.
Die vier Organisationen fordern daher die Bundesregierung und die demokratischen Parteien auf, gemeinsam konstruktiv an Lösungen zu arbeiten und Optionen wie eine Reform der Schuldenbremse, ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Stärkung der Einnahmenseite vorurteilsfrei zu prüfen.
Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland: "Die Aufgabe unserer Zeit, die nachhaltige Transformation, kann nicht allein von der öffentlichen Hand gestemmt werden. Die Investitionen müssen vor allem aus der Privatwirtschaft kommen. Es sind Investitionen in Wertschöpfung, Wettbewerbsfähigkeit und gute Arbeitsplätze in einer klimaneutralen Zukunft. Aber: Die öffentliche Hand muss massiv in Infrastruktur und Bildung investieren. Klug eingesetzte öffentliche Mittel mobilisieren privates Kapital. Sie schaffen den Rahmen, in dem alle Teile der Transformation ineinandergreifen. Dafür benötigen wir eine Haushaltspolitik, die nicht unter selbst auferlegten Sparzwängen steht und nur mit dem Ausruf des Notstands operieren kann. Wir brauchen jetzt eine Haushaltspolitik, die eine langfristig solide und verlässliche Grundlage für zukunftsfähigen Wohlstand legt."
Michael Vassiliadis, Vorsitzender IGBCE: “Aus dem derzeitigen Zick-Zack-Kurs folgt weitere Unsicherheit für Bürger*innen und Unternehmen. Vor allem die Standorte der energieintensiven Betriebe brauchen den echten Anreiz für eine massive Produktionsumstellung. In dieser Vielfachkrise gerät nicht nur die finanzielle, sondern letztlich die gesellschaftliche Basis der Transformation unter Druck. Wir appellieren daher an Regierende und alle demokratischen Parteien in Bund und Ländern, gemeinsam die finanziellen Weichen für die Transformation zu stellen und zu und vermeiden, dass soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele gegeneinander ausgespielt werden.”
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Die Bundesregierung muss jetzt dringend das derzeitige Gegeneinander bei Finanzierungsfragen in eine lösungsorientierte Debatte überführen. Sie sollte eine Expertinnenkommission einrichten, die sich über die Finanzierungsnotwendigkeiten verständigt und die Vor- und Nachteile der im Raum stehenden Vorschläge herausarbeitet. Sie sollte neben der Aufnahme neuer Schulden auch weitere Wege prüfen, um die dringliche Transformation zu finanzieren. Eine konsequent an den Klimazielen ausgerichtete öffentliche Beschaffung kann genauso dazu gehören wie der sozialverträgliche Abbau fossiler Subventionen. Auch eine sozial gerechte Erweiterung der Steuerbasis, etwa auf Finanzmarkteinkommen, kann eine Option sein.“
Nicht zuletzt muss in der Debatte sichergestellt werden, dass Investitionsbedarfe nicht gegen andere gesellschaftliche Ziele ausgespielt werden. Die Finanzierung der Transformation und Sozialausgaben werden gleichermaßen Auswirkungen auf den Umfang des Haushalts haben. Diese Ziele müssen gleichrangig behandelt werden – das eine darf nicht mit Schlagwörtern wie „Staatsquote“ dem anderen geopfert werden. Auch das versprochene Klimageld und Zukunftsinvestitionen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Dazu Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR): “Die Krisen und Herausforderungen waren seit Jahrzehnten nicht mehr so groß. Wir spüren eine gesellschaftliche Spannung, der nicht nur kommunikativ begegnet werden kann. Es braucht jetzt das parteiübergreifende Bekenntnis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zukunftsgerichtete Investitionen in den klimaneutralen Wohlstand von morgen sind genauso wichtig wie Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge von heute.”