In Brüssel bröckelt die Brandmauer
Mit der Machtzunahme rechtsradikaler und -populistischer Parteien überall in Europa ist die Brandmauer gegen Rechtsaußen wichtiger denn je. Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) beobachtet mit einiger Besorgnis, dass demokratische Parteien immer wieder gegen den Cordon Sanitaire verstoßen und fordert eine eindeutige Positionierung.
Ein Beitrag von Judith Hermann, DNR
Die demokratiegefährdende Zusammenarbeit der Konservativen im Europäischen Parlament mit rechtsradikalen Parteien
Immer öfter stimmt die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die deutsche CDU/CSU angehören, im europäischen Parlament gemeinsam mit rechtsradikalen Parteien. Im aktuellen Fall des Entwaldungsgesetzes wurde im Parlament sogar mit einer rechten Mehrheit versucht, eine bereits beschlossene Regelung zur Umsetzung des Green Deal abzuschwächen. Im letzten Moment wurde das von den Regierungen der Mitgliedstaaten verhindert. Jedoch ist der nächste vergleichbare Vorstoß wohl nur eine Frage der Zeit.
Was bedeutet Cordon Sanitaire?
Cordon Sanitaire ist der französische Ausdruck für die Brandmauer gegen rechtsradikale Fraktionen. Der Ausdruck bezeichnet die informelle Vereinbarung der demokratischen Parteien im EU-Parlament, nicht mit den rechtsradikalen Fraktionen zusammenzuarbeiten. Im europäischen Parlament fallen darunter die „Patrioten für Europa” (PfE) und das „Europa Souveräner Nationen” (ESN), denen etwa die Fidesz-Partei von Viktor Orbán und die deutsche AfD angehören. Für eine aus demokratischer Sicht notwendige Abgrenzung auch gegen die Fraktion „Europäische Konservative und Reformer” (EKR), der unter anderem Georgia Melonis postfaschistische Fratelli d’Italia angehören, gibt es keine klare Einigung unter den anderen Parteien. Die EVP sprach sich in verschiedenen Angelegenheiten für konstruktive Zusammenarbeit mit der EKR aus.
Wachsende Offenheit nach Rechtsaußen
Nach Beobachtungen des DNR bekommt diese Einigung, nicht mit Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten, immer mehr Risse. Auf der einen Seite gab es schon verschiedene Fälle, in denen die EVP auf Mehrheiten rechts der Konservativen gesetzt hat, um ihre Interessen durchzusetzen. Beispiele sind das schon genannte Entwaldungsgesetz und eine Resolution zur Wahl in Venezuela. Bei der Debatte zu politischen Leitlinien für den Haushalt 2025 stimmte die EVP sogar für einen Antrag, der von der ESN-Fraktion eingebracht worden war, der die AfD angehört.
Auch in der Konferenz der Präsident*innen, in der die Fraktionsvorsitzenden zusammenkommen, stimmte Manfred Weber (Fraktionsvorsitzender der EVP) schon wiederholt mit den Rechten. Das Gremium ist für die Organisation des Parlaments, seine Verwaltungsangelegenheiten und die Tagesordnung zuständig.
Die Offenheit nach Rechtsaußen zeigt sich ebenso auf personeller Ebene: Der Italiener Raffaelle Fitto wurde am 27. November als einer von sechs exekutiven Vizepräsident:innen der EU-Kommission bestätigt. Der Parteikollege von Meloni hat dadurch einen hervorgehobenen Posten in der Kommission bekommen, was lange von Fraktionen links der EVP abgelehnt worden war.
Es braucht klare Haltung aller demokratischen Parteien
Der DNR sieht die auf nationaler Ebene von CDU/CSU betonte Brandmauer im EU-Parlament in großer Gefahr. Das Handeln auf europäischer Ebene passt nicht zu dem Unvereinbarkeitsbeschluss der Union, in dem Annäherung und Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen werden. Wir fordern: Es braucht unbedingt Druck aus Deutschland, dass es diese Zusammenarbeit auch auf EU-Ebene nicht geben darf und sie nicht weiter geduldet wird.
Aus Sicht des DNR ist ganz klar: Sich bei Abstimmungen auf die Stimmen der rechtsradikalen Fraktionen zu verlassen heißt mit diesen zusammenzuarbeiten. Es ist eine Gefahr für unsere Demokratie als Ganzes, wenn Gesetze verändert werden, indem Mehrheiten durch undemokratische Fraktionen geschaffen werden, die die EU schwächen wollen. Priorität in dieser Legislaturperiode muss eine effektive Umsetzung des Green Deals und die notwendige soziale Abfederung sein. Gerade in geopolitisch instabilen Zeiten braucht es die EU als verlässlichen Akteur. Dafür müssen die demokratischen, pro-europäischen Parteien zusammenarbeiten und sich klar abgrenzen von jenen Akteuren, die der EU als Institution schaden wollen.