EU investiert in Technologie zur Geschlechtsbestimmung von Küken
Mit einer 40-Millionen-Euro-Investition verstärkt die EU ihre Bemühungen im Tierschutz. Vor dem Hintergrund deutlicher Eurobarometer-Ergebnisse appellieren Tierschutzorganisationen an die EU-Kommission, ihre Verpflichtungen zur Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung zu erfüllen.
Jedes Jahr werden Hunderte Millionen Küken im Rahmen der Legehennenproduktion getötet. Zur Vermeidung dieser Praxis verstärkt die Europäische Investitionsbank (EIB) ihren Einsatz durch die Förderung des niederländischen AgriTech-Unternehmens In Ovo mit einem Darlehen von mehr als 40 Millionen Euro. Die finanziellen Mittel sollen in den nächsten drei Jahren dazu dienen, die sogenannte „Ella“-Technologie des Unternehmens auszuweiten und eine größere Anzahl Maschinen auf den Markt zu bringen. "Ella" ermöglicht die Geschlechtsbestimmung von Küken noch im Ei. So können Brütereien gezielt nur weibliche Küken ausbrüten, wodurch das systematische Töten männlicher Küken vermieden wird. Die EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, betonte die Bedeutung dieses Schrittes und die Rolle der EU bei der Förderung innovativer Lösungen für den Tierschutz.
Klare Zustimmung der Europäer*innen zu verbessertem Tierschutz
Die Ankündigung erfolgte kurz nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Eurobarometer-Umfrage, die ein deutliches öffentliches Interesse und die klare Forderung nach strengeren Tierschutzmaßnahmen zeigte. Obwohl in der EU das routinemäßige Töten der männlichen Küken von Legerassen insgesamt gängige Praxis ist (mit wenigen Ausnahmen in Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg), finden drei Viertel der Befragten die Praxis des Kükentötens inakzeptabel. Die große Mehrheit der EU-Bürger*innen (84 %) und der deutschen Bürger*innen (90 %) befürwortet eine verbesserte Tierwohlfahrt in der EU. Acht von zehn Europäer*innen sprechen sich für höhere Standards auch beim Import von Lebensmitteln aus Nicht-EU-Ländern aus.
Der Spezial-Eurobarometer über die Einstellungen der Europäer*innen zur Tierwohlfahrt befragte vom 2. bis 26. März 2023 26.376 Bürger*innen aller Mitgliedstaaten. Er dient als offizielles Instrument für die EU-Institutionen, um bei der Ausarbeitung von Berichten und Gesetzen fundierte Ratschläge zu erhalten. Kritik wurde an der EU-Kommission laut, da sie versäumt haben soll, die Ergebnisse früher zu veröffentlichen.
Tierschutzorganisationen drängen auf konkrete Schritte
Tierschutzorganisationen, darunter FOUR PAWS, Humane Society International und die Eurogroup for Animals, rufen die Europäische Kommission auf, ihrer Verpflichtungen zur Umsetzung aller Vorschläge zur Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung nachzukommen. Während einer parlamentarischen Anhörung Anfang Oktober ließ Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič verlauten, dass alle Vorschläge mit Ausnahme des Vorschlags über Tiertransporte in absehbarer Zeit auf Eis gelegt würden. „Das Ignorieren der immensen Unterstützung der Bürger*innen für einen besseren Tierschutz und die Nichteinhaltung der Zusagen der Kommission, diese Gesetzesreformen durchzuführen, ist ein Affront gegenüber den Millionen von EU-Bürgern*innen, die eine bessere Behandlung von Nutztieren wünschen“, so Joanne Swabe, Senior Director of Public Affairs bei Humane Society International/Europe.
Der Deutsche Tierschutzbund äußert Besorgnis über den fehlenden Fortschritt in der Umsetzung von Tierschutzvorhaben in Deutschland. Der aktuelle Koalitionsvertrag verspreche eine Neuerung des Tierschutzgesetzes, aber es bliebe unklar, wann und wie diese umgesetzt werde. „Die Verhandlungen über die Novellierung des Tierschutzgesetzes scheinen völlig festgefahren“, stellt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, fest. „Wenn es für die Tiere in unserem Land unter einem grünen Landwirtschaftsminister und einem so starken Koalitionsvertrag keine Hoffnung gibt, wann dann? Insbesondere in einer Zeit, in der die Frage, wie wir mit Tieren umgehen, auch einen so entscheidenden Einfluss auf Klima, Artenvielfalt und große ökologische Zusammenhänge hat, ist ein Wegschauen nicht zu rechtfertigen“, so Schröder. Mit Blick auf die bereits fortgeschrittene Legislaturperiode warnt der Tierschutzbund davor, dass die gegenwärtige Regierung eine historische Chance zur Förderung des Tierschutzes verspielen könnte. [ks]
Europäische Kommission: EU fördert Technologie zur Vermeidung der Tötung männlicher Küken.
Europäische Kommission: Einstellungen der Europäer zum Tierschutz. [Download]
FOUR PAWS in Europe: New Eurobarometer figures show staggering support for stronger EU animal welfare legislation.
Human Society International: Eurobarometer: EU citizens demand better animal welfare
Eurogroup for Animals: Special Eurobarometer on animal welfare: EU citizens give strong impetus to deliver all animal welfare legislation.
Deutscher Tierschutzbund e.V.: „Herr Scholz, mögen Sie keine Tiere?“ - Regierung verspielte historische Chance auf mehr Tierschutz.