Farm-to-Fork-Strategie: Brüssel stellt Plan für nachhaltigere Landwirtschaft vor
Die EU-Kommission hat endlich die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm-to-Fork) für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem vorgelegt. Sie stößt bei Umweltverbänden auf ein geteiltes Echo.
Gleichzeitig zur Farm-to-Fork-Strategie veröffentlichte die Kommission am heutigen Mittwoch ihre mit Spannung erwartete Biodiversitätsstrategie 2030 (EU-News vom 20.05.2020). Brüssel zufolge ergänzen sich beide Strategien, die zentrale Bestandteile des europäischen Green Deal sind (EU-News vom 12.12.2019), und „bringen die Natur, Landwirt*innen, Unternehmen und Verbraucher*innen zusammen, um gemeinsam auf eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Zukunft hinzuarbeiten“.
Die Farm-to-Fork-Strategie sieht im Einzelnen vor, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden um 50 Prozent bis 2030 zu verringern. Der Einsatz von Düngemitteln soll um mindestens 20 Prozent, der Verkauf von antimikrobiellen Mitteln für Nutztiere und Aquakultur um 50 Prozent bis 2030 reduziert werden. Ein weiteres Ziel für 2030 ist die ökologische Bewirtschaftung von mindestens einem Viertel der landwirtschaftlichen Flächen in der EU. Außerdem schlägt die Kommission Maßnahmen vor, damit sich Verbraucher*innen über gesunde und nachhaltige Lebensmittel besser und einfacher informieren können.
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umweltausschusses, kommentierte: „Gut, dass die Farm to Fork Strategie als Herzstück des Green Deals kommt und gut, dass sie jetzt kommt! Die Ideen und Ziele der neuen EU-Landwirtschafts- und Ernährungsstrategie sind im Großen und Ganzen zu begrüßen.“ Er verlangte von der Kommission zusätzlich, dass sie ihre Ideen für eine nachhaltige Landwirtschaft noch während der laufenden Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik einbringt.
Gemischte Reaktionen von Umweltorganisationen
Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßte vor allem, dass die Kommission an der Verpflichtung festhalte, den Einsatz und das Risiko chemischer Pestizide um die Hälfte zu reduzieren. Doch habe Brüssel auch Chancen verpasst. So weise die Kommission zwar auf die Problematik der intensiven Tierhaltung hin, versäume es aber, hier zielführende Maßnahmen vorzuschlagen. Außerdem sieht der DNR nun die EU-Staaten in der Pflicht, alles dafür zu tun, um eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft zu etablieren, die die Biodiversität und das Klima schützt.
Auch die Aurelia Stiftung wertet das Ziel zur Pestizidreduktion als positiv. Zugleich findet sie, dass beide Strategien zu ambitionslos seien, um der rasant fortschreitenden Biodiversitätskrise wirksam zu begegnen. Ebenso kritisiert die Stiftung, dass die EU in ihren Strategien die Hintertür zu einer Politik des "Weiter so", welche unter anderem durch "neue Gentechnik" ermöglicht werden soll, offen lässt.
Das Climate Action Network (CAN) Europe betont die Bedeutung gesunder Ökosysteme und einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft für den Klimaschutz. Nicht-nachhaltige Landwirtschaft verursacht mehr als zehn Prozent der EU-weiten Treibhausgasemissionen.
Nach Ansicht von Friends of the Earth Europe ist das Reduktionsziel für Pestizide zu niedrig – 80 Prozent bis 2030 wäre nötig. Außerdem kritisiert die Umweltschutzorganisation, dass die Kommission eine neue Generation von genetisch veränderten Organismen (GMOs) als Option in Betracht ziehe, um Nachhaltigkeit entlang der Nahrungsmittelkette zu verbessern. Auch fehlten Maßnahmen, um die Produktion und den Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern deutlich zu verringern.
Ähnliche harsche Kritik übte die EU-Sektion von Greenpeace: Die Überproduktion und der massenhafte Konsum von Fleisch und Milchprodukten – hauptsächlich aus industrieller Massentierhaltung – werde weitergehen. Farm-to-Fork biete keine passenden Antworten, um diesem klima- und umweltschädlichen Problem zu begegnen.
Das EU-Büro der Umweltstiftung WWF bewertete die Strategie grundsätzlich positiv, sie habe das Potenzial, die EU-Agrarpolitik grundlegend zu verändern. Auf Twitter bemängelte der WWF jedoch, dass Maßnahmen für eine nachhaltige Fischereipolitik und für nachhaltig produzierten Fisch und Meeresfrüchte gänzlich fehlten. [aw]
EU-Kommission: Fragen und Antworten zur Farm-to-Fork-Strategie
Martin Häusling: Vorstellung der Farm to Fork Strategie
Aurelia Stiftung: EU Farm to Fork Strategie: Chancen für Bienenschutz nutzen!
Greenpeace EU: EU Commission says meat harms climate and nature, but does nothing
WWF EU: EU Commission plans green reset for nature, food and farming