GAP: Beschwerde gegen Abbau von Umweltstandards eingereicht
Client Earth und BirdLife Europe haben bei der EU-Ombudsstelle Beschwerde gegen die Mini-Reform zum Abbau von Umweltstandards in der EU-Agrarförderung eingereicht. Die Organisationen kritisieren mangelnde Beteiligung, fehlende Folgenabschätzung und das undemokratische Schnellverfahren.
Am 24. Juli haben die Umweltorganisationen Client Earth und BirdLife Europe Beschwerde bei der EU-Ombudsstelle eingereicht. Die Europäische Bürgerbeauftragte ist dafür zuständig, Missständen in der Verwaltungstätigkeit von Organen und Einrichtungen der EU nachzugehen. Die Beschwerde richtet sich gegen den „anti-demokratischen“ Rückbau der Umweltstandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Unter dem Druck der Agrarproteste habe die EU-Kommission im Schnellverfahren zentrale Mindestanforderungen zum Schutz der Umwelt gelockert – ohne eine Folgenabschätzungen zu tätigen, die Bürger*innen zu beteiligen oder die Empfehlungen der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen. Landwirtschafts-, Umwelt-, und Tierschutzorganisationen hatten die Aufweichung der Mindestanforderungen für den „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ (GLÖZ-Standards) stets scharf zurückgewiesen. Für Deutschland wurden die Abschwächungen der Umweltstandards im Rahmen des Agrarpakets der Bundesregierung umgesetzt. Davon betroffen sind etwa die verpflichtende Bereitstellung von Flächen für die Artenvielfalt oder Vorgaben zum Fruchtwechsel.
NGOs: Hinterzimmer-Politik, keine Folgenabschätzung, Turbo-Verfahren
Client Earth und BirdLife Europe kritisieren die mangelnde Beteiligung, die fehlende Folgenabschätzung und das Eilverfahren als „eklatant unvereinbar mit dem EU-Recht“. Bei der vorangegangenen GAP-Reform hätten sich über 300.000 Interessengruppen beteiligt. Dahingegen fand die diesjährige Neuausrichtung hinter verschlossenen Türen statt. Laut eines Non-Papers der EU-Kommission wurden lediglich vier Agrarverbände (Copa-Cogeca, ECVC, CEJA und IFOAM) im Vorfeld der Entscheidung beteiligt. Und die Anregungen von zwei Verbänden - ECVC und IFOAM - gegen die Lockerungen der Grundanforderungen, seien im daraus resultierenden Vorschlag unberücksichtigt geblieben.
Für die Client Earth-Anwältin Sarah Martin war das diesjährige Verfahren zur Überarbeitung der GAP „beispiellos und undemokratisch“. Derartige Änderungen an bedeutenden Gesetzen bräuchten sonst Jahre, um verabschiedet zu werden. Immerhin macht die EU-Agrarförderung etwa ein Drittel des EU-Gesamtbudgets aus. Im Gegensatz dazu wurden diese Anpassungen in wenigen Wochen durchgewunken. Solch ein „Notfallverfahren“ habe es bisher nur während der Corona-Pandemie und dem russischen Überfall auf die Ukraine gegeben. Laut der Anwältin wurden die Bürger*innen daran gehindert, ihr Recht auf Beteiligung an der Entscheidungsfindung sowie ihr Recht auf Zugang zu Informationen wahrzunehmen. „Panik-Gesetzgebung“ dürfe nicht zum Standard für EU-Prozesse werden.
Verstoß gegen die Leitlinien der EU?
Die Umweltorganisationen argumentieren, dass das Vorgehen einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit der EU-Kommission darstelle, weil es gegen die Leitlinien für bessere Rechtsetzung (better regulation guidelines) verstoße und die rechtlichen Grundsätze der EU in Bezug auf Transparenz, Konsultationen und evidenz-basierte Entscheidungsfindung unterlaufe. Außerdem sind die Organisationen der Ansicht, dass die Kommission auch gegen ihre rechtliche Verpflichtung gemäß des EU-Klimagesetzes verstoße, indem sie es versäumt habe die Vereinbarkeit der Anpassungen mit den Klimazielen zu bewerten. Zudem missachte das Eilverfahren die jahrelangen Verhandlungen zur GAP-Reform unter Einbeziehung verschiedener Interessengruppen.
Client Earth und BirdLife Europe erwarten nun in den nächsten sechs bis achtzehn Monaten eine Entscheidung über die Zulässigkeit, gefolgt von einem Urteil zu ihrer Beschwerde. [bp]