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GAP: EU pflügt Umweltstandards unter, Özdemir gibt Biodiversitätsflächen auf
EU-News | 29.02.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Landwirtschaft und Gentechnik

GAP: EU pflügt Umweltstandards unter, Özdemir gibt Biodiversitätsflächen auf

Ackerbrache in Münchehofe oder Ackerbrache in Fergitzer Tanger
© Frank Gottwald
Ackerbrache Fergitzer Tanger

Die EU-Kommission will weitere Umweltstandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) absenken. Auch die Mitgliedstaaten wollen „Vereinfachungen“ für Agrarunternehmen. In Deutschland darf auf Biodiversitätsflächen geackert werden.

Die Agrarproteste in Brüssel zeigen Wirkung - mit möglicherweise gravierenden Folgen für Umwelt und die biologische Vielfalt. Die Europäische Kommission hat am 22. Februar Vorschläge vorgelegt, wie dem Landwirtschaftssektor weiter entgegengekommen werden soll. Nachdem die Behörde den EU-Mitgliedstaaten am 12.Februar bereits Ausnahmeregelungen zur Nutzung von Biodiversitätsflächen erteilte (nicht produktive Ackerflächen und Landschaftselemente, GLÖZ 8), sollen nun noch weitere Mindeststandards der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) abgeschwächt werden.

Aufweichung von Mindestanforderungen im Fokus

In ihrer Mitteilung stellt die Kommission verschiedene Optionen zur „Vereinfachung“ vor, die den Aufwand für Landwirtschaftsunternehmen verringern sollen. Dabei konzentrieren sich die Vorschläge auf Anpassungen bei den Grundanforderungen (erweiterte Konditionalität). Die sogenannten GLÖZ-Standards (Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand) müssen Betriebe als Voraussetzung erfüllen, um Agrarsubventionen zu erhalten. Außerdem will die Brüsseler Behörde im März eine Online-Befragung durchführen, um weitere „Problemquellen“ und „Ursachen für Verwaltungsaufwand“ zu identifizieren.

Neben der - von Umweltorganisationen heftig kritisierten - Aufweichung von GLÖZ 8, bringt die Kommission nun zusätzliche Abschwächungen beim Grünlanderhalt (GLÖZ 1), beim Mindestschutz von Feuchtgebieten und Mooren (GLÖZ 2), beim Erosionsschutz (GLÖZ 6) und beim Fruchtwechsel (GLÖZ 7) ins Spiel. Auch Grundanforderungen bei den Sozial- und Arbeitsrechten, welche die Stellung der Landarbeiter*innen verbessern soll (soziale Konditionalität), will die Kommission aufschieben. Darüber hinaus schlägt die Behörde vor, bestimmte Kontrollen zu vereinfachen und die Verwendung der Begriffe „höhere Gewalt“ und „außergewöhnliche Umstände“ zu präzisieren.

„Vereinfachungen“ auf Kosten der Natur

Von Umweltorganisationen und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) wurde der Vorstoß der Kommission scharf kritisiert. Der NABU betonte, dass Entbürokratisierung nicht den Abbau von Umweltstandards bedeuten dürfe. Beim Bürokratieabbau solle es vielmehr um „die vernünftige Neuorganisation von Verwaltungsprozessen gehen“. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger sieht auch ein Gerechtigkeitsproblem, indem er hinterfragte, ob es noch fair sei, „wenn wir weiter ein erkennbar krankes System subventionieren, von dem nur wenige profitieren und am Ende die Gesellschaft die Folgen trägt?“ Für die AbL bedrohe die „Vereinfachung“ sogar die gute bäuerliche Praxis. Wer den Anspruch bei den Mindeststandards senke, müsse andererseits erklären „wie Umwelt- und Klimaschutz sowie soziale Verantwortung durch mehr Maßnahmen oder Förderangebote an anderer Stelle sichergestellt wird.“, so die AbL.

Auch beim Agrarrat am 26. Februar wurde der Vorschlag der EU-Kommission diskutiert. Vor dem Hintergrund heftiger Ausschreitungen und Agrarproteste in Brüssel begrüßten die Minister*innen den Vorstoß der Kommission und forderten sogar noch weitergehende Maßnahmen. DNR-Geschäftsführer Florian Schöne betonte daraufhin jedoch: „Unter dem Deckmantel der ‚Vereinfachung‛ wollen die Mitgliedstaaten nichts anderes als Standards zum Schutz der Umwelt schleifen.“ Wenn aufgrund der sogenannten „Bauernproteste“ innerhalb kürzester Zeit selbst minimalste Grundanforderungen zum Schutz von Artenvielfalt, Böden und Gewässern in der EU-Agrarförderung ausgehebelt werden, würden jahrelange Verhandlungen zur notwendigen Reform der EU-Agrarpolitik ad absurdum geführt, so Schöne weiter.

Und auch aus der Bevölkerung in Deutschland regte sich Widerstand gegen die Pläne zur Aufweichung der Grundanforderungen. Innerhalb weniger Tage unterzeichneten über 200.000 Menschen eine Petition der Organisation CAMPACT zu GLÖZ 8, die sich für den Erhalt der „Überlebensinseln in der Landwirtschaft“ stark machten. Der Appell richtet sich an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: Er müsse dafür sorgen, dass in Deutschland „Landwirt*innen nur dann Agrarsubventionen bekommen, wenn sie für ausreichend Artenschutzflächen sorgen.“

GLÖZ 8: Özdemir gibt Brachen frei

Doch dieser Appell verhallte scheinbar ungehört. Denn wie am 29. Februar bekannt wurde, will nun auch Deutschland von der Abschwächung der GLÖZ-8-Regelung Gebrauch machen. In den Tagen zuvor gab es noch ein intensives Tauziehen innerhalb der Bundesregierung und zwischen den Ressorts. So hatte sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke dafür eingesetzt, dass dieser „überstürzte und unreife Beschluss“ in Deutschland nicht umgesetzt werde. Ihr Parteifreund Landwirtschaftsminister Özdemir hat mit der Entscheidung zur Umsetzung des Kommissionsvorschlags nun sein Versprechen aus dem Jahr 2022 gebrochen, dass die Aussetzung für das vergangene Jahr einmalig gewesen sei.

Umweltorganisationen kritisieren diesen Schritt heftig. DNR-Geschäftsführer Florian Schöne bedauert: „Die Bundesregierung knickt tatsächlich vor den Interessen der Agrarlobby ein und beugt sich dem Druck der radikalen Proteste.“ Während das Artenaussterben weitergehe, opfere die Bundesregierung „die letzten Rückzugsräume für bedrohte Arten und folgt damit dem populistischen Schlingerkurs der EU-Kommission.“ Für Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter werden zugleich „Steuergelder verschwendet, weil nun mit hohen Subventionen Landwirte dazu animiert werden müssen, Brachflächen bereitstellen.“ Anstatt die Flächen für die Nutzung freizugeben hätte Agrarminister Özdemir an dieser Stelle „eindeutige Kante für eine zukunftsfähige Landwirtschaft zeigen müssen“. [bp]

Mitteilung EU-Kommission

Mitteilung EU-Agrarrat

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