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Gelingt der zukunftsorientierte Ansatz zu einem ganzheitlicheren Wassermanagement?
News | 07.09.2022
#Biodiversität und Naturschutz #Wasser und Meere

Gelingt der zukunftsorientierte Ansatz zu einem ganzheitlicheren Wassermanagement?

See - für alle zugänglich
© pixabay
See - für alle zugänglich

Sonst bei Ministerien unüblich, wurde die Nationale Wasserstrategie des Bundesumweltministeriums (BMUV) teils mit einem partizipativen Ansatz erarbeitet, um integratives Wassermanagement als Querschnittsaufgabe der Gesellschaft etablieren. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des Abschlussdokuments gibt nur einen Ausschnitt des regional teils akuten Handlungsbedarfs an unseren Gewässern wieder. Nun ist zu befürchten, dass der Gewässerschutz im Rahmen der laufenden Ressortabstimmung weiter abgeschwächt wird.

Wasser gehört in Deutschland der Allgemeinheit – lediglich kleinere Seen können in Privathand sein. Da es traditionell in den meisten Regionen im Überfluss vorhanden war, wurden allerdings vielfältige private Nutzungsrechte eingeräumt, von traditionellen Fischereirechten über die Entwässerung von Privatgrundstücken und Nutzung der Wasserkraft bis hin zur Entsorgung mehr oder weniger gereinigter Abwässer und der Ausweisung als Wasserstraßen für die Schifffahrt. Diese Nutzungen sind untereinander nur teilweise verträglich, einige schließen einander sogar aus. Daher wurden öffentliche Nutzungsinteressen an Gewässern im Rahmen des Wasserrechts und auch des Naturschutzrechts formuliert.

Wasserrecht und Naturschutz reichen zum Gewässerschutz nicht aus

Diese sektoralen Gesetzgebungen regeln einzelne Nutzungen teils bis ins Detail, jedoch fehlt ein Ansatz zur Berücksichtigung der vielen Wechselwirkungen, die sich durch Nutzungen und Veränderungen der Gewässer und ihrer Einzugsgebiete zwangsläufig ergeben: Entwässerte, intensiv genutzte Ackerflächen sind zur Trinkwassergewinnung nicht zu gebrauchen, ein begradigtes Gewässer verliert dramatisch an Selbstreinigungsfähigkeit, die Einleitung selbst gereinigten Abwassers beeinträchtigt Erholung und Fischerei, und alle Eingriffe beeinträchtigen selbstverständlich den ökologischen Zustand des Gewässers. Da somit einige wichtige Einfluss- und Zielgrößen des Gewässerschutzes außerhalb des Wasser- und Naturschutzrechts liegen, können unsere Gewässer und deren öffentliche Nutzungen nur effizient gesichert werden, wenn Gewässerschutz als ressortübergreifende Aufgabe gesehen wird.

Martin Pusch
Entwässerte, intensiv genutzte Ackerflächen sind zur Trinkwassergewinnung nicht zu gebrauchen, ein begradigtes Gewässer verliert dramatisch an Selbstreinigungsfähigkeit, die Einleitung selbst gereinigten Abwassers beeinträchtigt Erholung und Fischerei.
Martin Pusch, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Gewässerökologe

Vor diesem Hintergrund wurde die Initiative der damaligen Umweltministerin Svenja Schulze zu einer „nationalen Wasserstrategie“ weithin begrüßt. Ebenso innovativ und erfreulich war es, die Erarbeitung der Strategie auf eine Serie von Akteursforen und Bürgerdialogen zu gründen und diese Veranstaltungen durch ein informatives Fachdokument zu unterstützen. Die Akteursveranstaltungen gerieten überwiegend zu fruchtbaren Austausch- und Vernetzungsevents der Teilnehmer*innen aus verschiedenen Branchen und Regionen, die gegenseitiges Verständnis sowie die Einsicht in die Dimensionen der Herausforderungen und die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns beförderten. Die lebhaften Diskussionen bei Akteursforen und Bürgerwerkstätten zeigen die flächenhafte Relevanz und Vielfalt des Themas in Deutschland, sowie einen großen Vernetzungsbedarf.

Nationale Wasserforen als fruchtbare Plattform für Fachdiskussionen

Bereits in den Wasserforen, die vor der derzeitigen Dürrephase stattfanden, reklamierten Trinkwasserversorger die absolute Priorität ihrer Wassernutzung, was Widerspruch vonseiten der Landwirtschaft und Industrie hervorrief, die ihre berechtigten Interessen betonten. Der Wasserbedarf des Gewässerschutzes, um Fließgewässer am Fließen zu halten, Abwässer zu verdünnen und Feuchtgebiete feucht zu halten, war zu diesem Zeitpunkt nur wenigen der nutzungsorientierten Interessenvertreter*innen präsent. Trotz – oder möglicherweise auch wegen – der derzeitigen Dürrephase wird dieser Wasserbedarf der Natur bis heute wenig berücksichtigt, beispielsweise in den entsprechenden Niedrigwasserplänen der Länder Berlin und Brandenburg. Die auf den Akteursforen präsentierten zahlreichen Beispiele für akuten Handlungsbedarf einerseits und für lokal umgesetzte integrativere Ansätze des Wassermanagements andererseits spiegeln sich leider in dem vom BMUV schließlich erarbeiteten Entwurf der Nationalen Wasserstrategie kaum wider.

Klimakrise unterstreicht Dringlichkeit

Die Umweltkatastrophe an der Oder im August zeigte eindrücklich die massiven Folgen für unsere Gewässer und deren Nutzungsfähigkeit, wenn diese trotz längerer Trockenperioden weiterhin stark beispielsweise durch Abwässer belastet werden. Die durch die Nationale Wasserstrategie angesprochenen strategischen Herausforderungen [siehe Artikel von Sascha Maier], wie etwa Risiken durch Stoffeinträge begrenzen oder den naturnahen Wasserhaushalt wiederherzustellen, erscheinen somit noch dringlicher. Leider wurde der Schutz der wasserabhängigen Biodiversität nicht als eines dieser Ziele aufgenommen, was in Zeiten beispielsweiser massiver Bestandsverluste von Amphibien naheliegend gewesen wäre. Das BMUV hat seinen Entwurf der Nationalen Wasserstrategie nun in die Ressortabstimmung gegeben, wo aufgrund des Ziels der ressortübergreifenden Verbindlichkeit mit Änderungswünschen zu rechnen ist. Es bleibt zu hoffen, dass unter anderem infolge der derzeit hohen Sichtbarkeit des Wasserthemas in den Medien die Nationale Wasserstrategie nicht verwässert wird.

Der Autor

PD Dr. Martin Pusch ist Gewässerökologe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin und arbeitet dort über wirbellose Bodentiere, Stoffumsatz in Gewässern sowie deren Bewirtschaftung und Ökosystemleistungen.

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