Konservative attackieren Naturschutzpaket
Mit einem Parteibeschluss stellt sich die Europäische Volkspartei gegen das EU-Renaturierungsgesetz und die geplante Pestizid-Verordnung. Die Konservativen wenden sich damit gegen zentrale Umweltvorhaben des Europäischen Green Deals.
Die Europäische Volkspartei (EVP) hat am vergangenen Freitag auf ihrem Parteikongress in München wesentliche Umweltvorhaben des Europäischen Green Deals zurückgewiesen. Das konservative Parteienbündnis, zu dem auch CDU und CSU gehören, lehnt in einem Positionspapier die Vorschläge der EU-Kommission zum EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law, NRL) und zur geplanten Pestizidverordnung (Sustainable Use Regulation, SUR) grundlegend ab. Mit der Forderung nach Zurücknahme der Gesetze stellt sich die EVP gegen die Vorschläge ihrer Parteikollegin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
“Farmers Deal” vs. Farm to Fork
Vor der anstehenden Wahl des Europäischen Parlaments im kommenden Jahr zielt die verabschiedete Resolution mit dem Titel „European Farmers Deal“ auf die Wählerschaft im ländlichen Raum: Die EVP beschreibt sich darin selbst als „die Stimme und die Verteidigerin der europäischen Landwirte und unserer ländlichen Gemeinschaften“. Die Ablehnung der Verordnung zur Pestizidreduktion begründen die Konservativen damit, die Ernährungssicherheit in Europa nicht gefährden zu wollen. Die Ziele der SUR seien „nicht realisierbar“ und böten Landwirt*innen „keine praktikablen Alternativen“. Im Gesetz zur Wiederherstellung der Natur sieht die EVP einen „direkten Angriff auf die privaten Eigentumsrechte“.
NGOs: EVP als ernsthafte Gefahr für Umwelt und Landwirtschaft
Die Blockadehaltung der EVP gegenüber den zentralen Vorhaben der europäischen Naturschutzpolitik wird von Umweltverbänden scharf kritisiert. BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock warnte, dass der Beschluss ein „Schlag ins Gesicht“ von über einer Million Europäer*innen sei, die ihre Stimme für einen Ausstieg aus der Pestizidnutzung abgegeben haben. Ohne die durch die SUR vorgesehene Pestizidreduktion könne das Artensterben nicht gestoppt werden. Ernährungssicherheit sei nur im Einklang von Artenschutz und Klimaschutz möglich. Der NABU attestierte, dass von den ursprünglichen Ideen des Green Deals nunmehr nicht mehr viel übrigbleibe, „auch weil Parteifreunde von Ursula von der Leyen ihren Green Deal immer wieder attackieren“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Und Sabien Leemans, Referentin für Biodiversität im EU-Büro des WWF, kommentierte, dass die Ablehnung durch die EVP eine ernsthafte Gefahr für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft und der Umwelt sei.
Reaktionen: Brief, Petition und Kampagne
Mit ihrer generellen Ablehnung der Gesetzesvorhaben verlasse die EVP nicht zuletzt den Boden einer wissenschaftsbasierten Politik, attestierte das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Europe) der EVP und verweist auf eine Online-Petition zur Unterstützung der neuen Pestizidverordnung. Mit einem offenen Brief appellierte zudem die Health and Environment Alliance (HEAL) an die Abgeordneten des Europaparlaments, sich für eine strenge und gesundheitsschützende Pestizidverordnung einzusetzen. Mit einer Kampagne unter dem Hashtag #RestoreNature setzen sich darüber hinaus über 200 Umweltorganisationen, darunter der Deutsche Naturschutzring (DNR), für ein starkes EU-Renaturierungsgesetz ein.
Grüne und Sozialdemokraten kritisieren Blockade
Politischer Gegenwind zum Vorstoß der EVP ließ nicht lange auf sich warten. Sarah Wiener, Berichterstatterin zur SUR von den Grünen/EFA, warf den Konservativen vor, „den Green Deal zum Entgleisen bringen“ zu wollen. Ihr Parteikollege Martin Häusling sieht darin eine „Rolle rückwärts“ und einen „Generalangriff auf die Natur“. Die SPD-Europaabgeordnete und Verhandlungsleiterin für die Reform der EU-Agrarpolitik der Sozialdemokraten im EU-Parlament (S&D), Maria Noichl, wirft der EVP „Täter-Opfer-Umkehr“ und „Arbeitsverweigerung“ vor. In ihrem Standpunkt bei Table.Europe schreibt Noichl zudem vom „antieuropäischen und wissenschaftsfeindlichen Verhalten“ der Konservativen. Klimakrise, Artensterben, Verlust der Bodenfruchtbarkeit und Wassermangel lassen sich nicht aussitzen, so Noichl weiter.
Europäische Umweltagentur: Renaturierung dringend nötig
Wie gegenläufig der Beschluss der Konservativen zur tatsächlichen krisenhaften Situation der Natur ist, zeigt auch ein neuer Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA). Im Papier “State of nature in Europe: Damaged ecosystems need restoration” vom 9. Mai verdeutlicht die europäische Behörde die Dringlichkeit zur Restaurierung der Ökosysteme in Europa. Erst im April hatte die EEA zudem nochmals aufgezeigt, dass mehr Ambitionen der Mitgliedstaaten zur Pestizidreduktion notwendig seien. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sah es aufgrund des Vorstoßes der EVP als nötig an, auf Twitter einige Mythen zum NRL auszuräumen. Schon im Januar sind zudem vom Institute for European Environmental Policy (IEPP) eine Reihe von Berichten erschienen, die den Nutzen der Renaturierung veranschaulichen. [bp]