Meilenstein: EU-Parlament stimmt für Lieferkettengesetz
Das EU-Parlament hat für ein schärferes Lieferkettengesetz gestimmt. Somit werden Unternehmen in der EU künftig stärker in Verantwortung gezogen, ihre Zulieferer auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden hin zu prüfen. Verbände und NGOs sehen vor dem Trilog-Prozess jedoch noch Nachholbedarf am Gesetz.
Zehn Jahre nach Einsturz der Textilfabrik „Rana Plaza“ in Bangladesch dürfte dieser Schritt ein Meilenstein für die weltweite Wahrung der Menschenrechte, aber auch für den Klima- und Umweltschutz in den Lieferketten sein: Das EU-Parlament hat mit einer Mehrheit von 366 Abgeordneten am 1. Juni für den Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes votiert.
Das Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), so die offizielle Bezeichnung, lehnten 225 Abgeordnete des EU-Parlaments ab, 38 enthielten sich. Mit dem CSDDD sollen Kinderarbeit, Sklaverei, die Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und der Verlust der Biodiversität bekämpft werden. Dafür vorgesehen ist, Unternehmen bei der Überwachung und Kontrolle ihrer Lieferketten stärker in die Pflicht zu nehmen. Das Gesetz geht dabei im EU-Parlament über das hinaus, worauf sich die Kommission im Dezember 2022 geeinigt hatte.
So sollen Unternehmen mit Sitz in der EU, mehr als 250 Angestellten und einem 40 Millionen Euro übersteigenden Jahresumsatz künftig für Kinder- und Zwangsarbeit sowie Umweltverschmutzung bei ihren internationalen Zulieferern verantwortlich gemacht werden können. Auch viele Partner europäischer Firmen und Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU fallen unter die neuen Regelungen, sofern sie insgesamt mehr als 150 Millionen Euro jährlich umsetzen und hiervon mindestens 40 Millionen Euro aus Geschäften in der EU resultieren.
Verschärfung des Vorschlags der EU-Kommission – mehr Branchen und Unternehmen betroffen
Mit Blick auf den Vorschlag der EU-Kommission, die nur Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und über 150 Millionen Euro Jahresumsatz verpflichten wollte, kann von einer Verschärfung des Gesetzesentwurfs gesprochen werden. Auch bisherige Regelungen auf nationaler Ebene übersteigt der Gesetzesentwurf, sodass für das Anfang des Jahres in Deutschland in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz möglicherweise eine Nachschärfung auf dem Plan steht.
Im Detail sollen die betroffenen Unternehmen zur Sorgfaltspflicht entlang ihrer kompletten Lieferketten verantwortet werden. Hierzu gehört mitunter die Verpflichtung, nachteilige Effekte ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte sowie auf Umweltstandards zu ermitteln. Sollten solche erkennbar sein, wären die Firmen dann dafür verantwortlich, diese zu beenden, zu verhindern oder abzumildern. In puncto Klimaschutz enthält das Gesetz ebenfalls gute Neuigkeiten: So sollen Unternehmen einen „Übergangsplan zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° Celsius umsetzen“ und für die Reduktion von Emissionen entlang ihrer Lieferketten sorgen.
Durchgesetzt werden soll das Gesetz durch eine Kombination aus zivilrechtlicher Haftung, behördlicher Kontrolle und dem Verhängen von Bußgeldern und Sanktionen. Auch sogenanntes „Naming und Shaming“ - also das öffentliche Anpragern von Unternehmen bei Nichterfüllung ihrer Pflichten - sowie Geldstrafen in Höhe von mindestens 5% des weltweiten Nettoumsatzes sollen Firmen zur Einhaltung animieren.
Positives Signal mit Nachholbedarf: NGOs sehen noch Schwächen am Lieferkettengesetz
Mehrere Umwelt- und Menschenrechtorganisationen wie der BUND oder Amnesty International begrüßen das Votum für das EU-Lieferkettengesetz im EU-Parlament, kritisieren jedoch vorhandene Schlupflöcher sowie dass einzelne Punkte des Gesetzes nicht den Ansprüchen der Zivilgesellschaft entsprächen. So zeigt sich BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock enttäuscht hinsichtlich der im Gesetz festgehaltenen Klimapflichten: „es braucht eindeutigere Vorgaben zur Treibhausgasemissionsreduktion in der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens“.
Als besonders positiv hebt die Initiative Lieferkettengesetz jedoch den risikobasierten und präventiven Ansatz der Richtlinie hervor. Andererseits sieht sie insbesondere Schwächen im Bereich der Beweislast sowie darin, dass der Finanzsektor bisher aus den Sorgfaltspflichten ausgeschlossen bleibe. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe fordert zudem die Bundesregierung auf, sich im kommenden Trilog-Verfahren zwischen den drei EU-Institutionen, für „EU-weit einheitliche Standards und Verantwortung für Unternehmen und Finanzdienstleister über die gesamte Wertschöpfungskette“ einzusetzen. Es müsse ein klares Signal geben, dass Profit auf Kosten von Menschenrechten und Umwelt nicht weiter ohne Konsequenzen für Unternehmen bleibe. [mi]
CSR in Deutschland: EU-Lieferkettengesetz.
ZEIT ONLINE: EU-Parlament stimmt für verschärftes Lieferkettengesetz.