Nach Abbruch der GAP-Verhandlungen: Und jetzt?
Statt einer Einigung darüber, wie die EU-Subventionen für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2023 verteilt werden sollen, verkündeten die Verhandler*innen von Rat, EU-Parlament und EU-Kommission am vergangenen Freitag einen vorläufigen Abbruch der Gespräche.
„Jumbo-Trilog“ gescheitert
Nach mehrtägigen Verhandlungen hieß es am Freitagmorgen aus Brüssel: Der „Jumbo-Trilog“ ist ergebnislos beendet. Die Vertreter*innen der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments konnten ihre Differenzen im Hinblick auf die Grüne Architektur der reformierten GAP nicht überwinden. Nach wie vor sind die großen Knackpunkte die Umverteilung von Geldern zwischen der 1. und der 2. Säule, der Anteil der für Eco Schemes vorgesehene Mittel aus der 1. Säule, Details zur Fruchtfolge und der Anteil der nicht-produktiven Flächen im Rahmen der Konditionalität. Ein neuer Vorschlag des Rats für einen Mindestanteil von Eco Schemes hätte den bisher im Raum stehenden Kompromiss von 25 Prozent noch weiter untergraben, indem er eine Untergrenze von 18 Prozent möglich gemacht hätte. Das ging den Abgeordneten des EU-Parlaments zu weit. Ihren Gegenvorschlag, für die Jahre 2023 und 2024 wenigstens einen Anteil von 22 beziehungsweise 23 Prozent vorzugeben, stieß wiederum beim Rat auf Ablehnung.
Reaktionen: Mitgliedstaaten in der Kritik
Die portugiesische Landwirtschaftsministerin und Verhandlungsführerin der Mitgliedstaaten, Maria do Céu Antunes, sprach von „Divergenzen in relevanten Punkten“, die zum Gesprächsstopp geführt hätten. Sie stehe nun bereit, „um die Suche nach Lösungen zur Vollendung der GAP-Reform mit dem gleichen Engagement wieder aufzunehmen“ und noch im Juni eine Einigung zu erzielen, um die Umsetzung der nationalen Strategiepläne nicht zu gefährden, so Antunes.
Die EU-Parlamentarier*innen waren sich fraktionsübergreifend einig, dass die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen bei den Mitgliedstaaten liege: „Die mangelnde Flexibilität des Rates bedroht die Sicherheit der EU-Landwirt*innen“, lies der Verhandlungsführer des Parlaments Norbert Lins (EVP, Deutschland) verlauten. Die Ratspräsidentschaft sei „überrascht“ gewesen, „dass wir ihren Kompromissvorschlag nicht einfach absegneten, sondern unsere eigenen roten Linien darlegten“, erklärte Lins. Martin Häusling, Schattenberichterstatter für die Grünen/EFA, kritisierte insbesondere die deutsche Agrarministerin Julia Klöckner, die „eine gehörige Mitschuld am drohenden endgültigen Scheitern dieser Reform“ trage. Klöckner habe „die portugiesische Ratspräsidentschaft in ihrer rückwärtigen Politik“ bestätigt und sei damit „hinter ihre eigenen, in Deutschland vertretenen Positionen“ zurückgefallen, so Häusling. Klöckner selbst hingegen erklärte, vom Rat habe es ausreichend Bewegung in den Verhandlungen gegeben.
Umwelt- und Naturschutzverbände bekräftigten die Notwendigkeit eines Systemwechsels durch die GAP-Reform. Das Scheitern der Verhandlungen aufgrund der „Blockade der Mitgliedstaaten“ bestätige „einmal mehr den geringen Willen für eine überfällige Transformation der EU-Agrarpolitik“, kommentierte Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR) am Freitag. Auch Tobias Reichert, Referent für Agrarpolitik bei Germanwatch, attestierte dem Rat, „selbst kleine Fortschritte in Richtung Umwelt- und Klimaschutz in der Agrarpolitik“ zu blockieren. Entsprechend sei es „richtig, dass das Parlament hier ein Stopp-Zeichen setzt“, so Reichert. Marco Contiero, Direktor für EU-Agrarpolitik bei Greenpeace, forderte die EU-Kommission auf, den vorliegenden Vorschlag zurückzuziehen und eine „radikal neue GAP“ vorzuschlagen, „die die europäische Landwirtschaft weg von umwelt- und sozialzerstörerischen Praktiken und hin zu einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft führen“ könne. Alexander Gerber, Vorstand für Landwirtschaft des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßte, „dass die GAP weiter beraten wird“ und forderte, den „progressiven Positionen des EU-Parlaments stärkeres Gewicht“ zu verleihen.
Auswirkungen auf die Umsetzung des GAP-Strategieplans in Deutschland
Tatsächlich beinhaltet der von Klöckner präsentierte Entwurf für eine Umsetzung der GAP in Deutschland Formulierungen, die auf EU-Ebene von den Ratsmitgliedern abgelehnt werden. So sieht der Plan der Bundesregierung vor, ab 2023 25 Prozent der Direktzahlungen für Eco Schemes zu reservieren.
Eigentlich hatten diese Gesetzesentwürfe für die Umsetzung der GAP in Deutschland noch vor der Sommerpause – also vor der Bundestagswahl – durch den Bundestag verabschieden werden sollen. Dieser Plan ist nun gefährdet. Denn damit das geschehen kann, muss in Brüssel ein Kompromisstext vorliegen, der die Grundlage für den deutschen Strategieplan bilden kann. Der nächste Agrarministerrat, der einen Verhandlungskompromiss in Brüssel bestätigen könnte, findet am 28. Juni statt und damit erst nach der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause. Es müsste also bereits vorher zu einer Einigung kommen.
Wie geht es weiter?
Alle Verhandlungsparteien drängen darauf, möglichst bis Ende Juni und damit bis zum Ende der portugiesischen Ratspräsidentschaft die Reform abzuschließen. Antunes kündigte für den 16. und 17. Juni eine Fortführung der Trilog-Gespräche an. Zuvor sollen die strittigen Punkte in einer Sitzung des Sonderausschusses Landwirtschaft des Rats besprochen werden.
Laut Verhandlungsführer Lins sei das Parlament bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen - „aber nur, wenn der Rat mehr Flexibilität zeigt“. Maria Noichl, Schattenberichterstatterin für die Fraktion der Sozialdemokraten, erwartet bei den weiteren Gesprächen eine Begegnung mit dem Rat „auf Augenhöhe“. [km]
Videoaufzeichnung der Pressekonferenz des EU-Parlaments zum Abbruch der Verhandlungen
EU-Kommission: Agrarreform: Kommission unterstützt Rat und Parlament weiter bei Verhandlungen
EU-Parlament: EU farm policy reform: Council must be more flexible - we cannot waste more time
Arc 2020: Parliament Holds Firm as Council Demands Rejected – for now
BMEL: Statement Bundesministerin Klöckner zur Vertagung der Trilog-Verhandlungen
Maria Noichl: Europäisches Parlament zeigt Kraft und Willen für eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik
DNR-Statement zum Abbruch der Trilogverhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
Greenpeace: After failed talks, time to reboot EU farming reform
BÖLW: „Nur was gut für Umwelt und Bauern ist, darf Gesetz werden“
Die strukturellen Probleme der europäischen Agrarpolitik
In einem neuen Briefing erklärt die Umweltrechtsorganisation ClientEarth, warum die Regulierung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU sich von allen anderen Politikbereichen unterscheidet und wie sehr Einzelinteressen die GAP beeinflussen und eine nachhaltigere Ausrichtung verhindern. Auch die reformierte GAP wiederhole "dieselbe sektorale Logik der Vergangenheit, indem sie den Sonderstatus der Landwirtschaft auf Kosten anderer Sektoren, vor allem des Klimas und der Umwelt, beibehält", stellt ClientEarth fest.
Studienvorstellung: Pestizidexporte in Drittstaaten
Am 27. April stellen das Pestizid Aktionsnetzwerk Germany (PAN Germany) und weitere Organisationen die Studie "Doppelstandards und Ackergifte von Bayer und BASF: Ein Blick hinter die Kulissen des internationalen Handels mit Pestizidwirkstoffen" vor. Anschließend laden sie zur Diskussion ein. Die Studie untersucht, wie europäische Firmen Wirkstoffe ins Ausland exportieren, die aufgrund ihrer schädlichen Auswirkungen in der EU verboten sind.