Nachhaltige Bildung schafft gutes Klima
Jede*r kann einen Beitrag leisten, die Klimakrise zu bewältigen. Diese Aussage ist so richtig wie problematisch zugleich. Denn die bittere Wahrheit ist: Individuelle Konsumentscheidungen machen keinen Unterschied fürs Klima. Eine Bildung, die versucht, grüne Konsumenten zu erziehen, ist nicht nur politisch, sondern auch empirisch „für die Katz“. Was es braucht, ist eine Bildung für Nachhaltigkeit, die zum Einmischen und Mitbestimmen befähigt.
Wir alle kennen Slogans wie: „Tu was für den Umweltschutz!“ oder „Jetzt die Ärmel hochkrempeln, anpacken, loslegen!“ Sie zielen darauf ab, jeden Einzelnen von uns zum Handeln anzuregen und einen eigenen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten und die Klimaziele zu erreichen: Mülltrennung, weniger Fleisch essen, Bäume gießen oder Bienenhotels auf dem Balkon sind nur einige Beispiele.
Studien belegen jedoch, dass individuelle Verhaltensänderungen keinen Einfluss auf die Umweltqualität haben. Falsch sind sie nicht, aber eben nicht ausreichend, um die Welt zu retten. Entscheidend sind gemeinsame politische Handlungen. Das muss nicht gleich die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag sein. Auch die Mitarbeit in Umweltgruppen, der gemeinsame Einsatz für eine fleischarme Schulverpflegung oder für einen Radweg sind die systemischen Veränderungen, die einen Unterschied machen.
Die Geschichte der Umweltpolitik zeigt zudem, dass wirksame Umweltschutzmaßnahmen politisch eingefordert werden müssen. Die Einführung bleifreien Benzins, der Atomausstieg oder die Abkehr von FCKW-haltigen Treib- und Kühlmitteln waren keine individuellen Entscheidungen, sondern basierten darauf, dass politische Leitplanken gesetzt wurden. Zu den etablierten umweltpolitischen Steuerungsinstrumenten zählen neben Ge- und Verboten auch Steuern und Subventionen sowie gesetzliche Beschränkungen von Emissionen und der daraus resultierende Handel mit Emissionsrechten.
Damit die nötigen Maßnahmen angesichts der fortschreitenden Klimakrise umgesetzt werden können, bedarf es also politischer Entschlossenheit, um zügig geeignete gesetzliche sowie finanzielle Rahmenbedingungen herzustellen.
Um dies zu erreichen, spielt die Bildung eine wichtige Rolle, auch um junge Menschen auf die anstehenden Herausforderungen vorzubereiten. „Statt einseitig die Anpassung des privaten Konsums zu predigen, muss eine wirksame Klimabildung raus aus der Individualisierungsfalle und die Verantwortung dort platzieren, wo sie hingehört: Nachhaltigkeit ist eine gemeinsame, politische Aufgabe“, sagt der Nachhaltigkeitsexperte und DNR-Präsident Kai Niebert. Dass ein entsprechendes bürgerschaftliches Engagement hoch wirksam ist, zeigen unter anderem ermutigende Beispiele kommunaler Klimaschutzinitiativen. So haben Bürger- und Volksbegehren zum Beispiel dafür gesorgt, dass München ein Kohlekraftwerk abschaltet, Berlin seinen Radverkehr ausbaut und Hamburg sein Fernwärmenetz zurückbekommt. Auch die Proteste von Schülerinnen und Schülern im Rahmen der globalen Fridays For Future-Bewegung waren äußerst erfolgreich, da sie das Thema Klimawandel politisiert und seine Präsenz in den politischen und öffentlichen Diskursen gesteigert haben.
Das Erfolgsrezept: kollektives statt privates Engagement und entschlossenes politisches Handeln
Die Bedeutung politischer Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise und Anpassung an den Klimawandel ist in der Klimaforschung genauso Konsens wie die Existenz des menschengemachten Klimawandels. Allerdings haben diese Befunde bisher kaum Einzug in die bisherige Klimabildung gehalten. Meistens werden die physikalischen Grundlagen des Klimawandels vermittelt – jedoch oftmals mit dem Ziel, Teilnehmende zum individuellen Handeln zu befähigen. Während die Verantwortung für die Emissionen oft diffus der Industrialisierung und damit der öffentlichen Sphäre zugeschrieben werden, konzentriert sich die Debatte über die Eindämmung des Klimawandels meist auf die private Ebene. Spezifische Handlungsstrategien zu Maßnahmen des Klimaschutzes und der Anpassung an Klimawandelfolgen werden kaum thematisiert. Dass Bildungsmaßnahmen auf dieser Basis ein wirksames Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasen sind, ist zu bezweifeln, denn der private Konsum ist nur für einen Bruchteil der Emissionen verantwortlich. Zudem kann die Verlagerung der Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels auf die Schülerinnen und Schüler zu ablehnenden Reaktionen und Gefühlen von Ohnmacht führen, sodass eine Veränderung des individuellen Konsums ausbleibt.
Hingegen wird die politische Dimension des Klimawandels im Schulunterricht so gut wie gar nicht aufgenommen. Weder die zentralen Grundpfeiler der Klimapolitik, wie das 1,5-Grad-Limit oder die IPCC-Berichte des Weltklimarats, noch konkrete politische Steuerungsinstrumente zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen stehen im Lehrplan. Die Befunde der wenigen Studien, in welchen Lernende altersgemäß entweder politische Entscheidungsprozesse simulieren oder sich direkt klimapolitisch engagieren, zeigen jedoch, dass ein Unterricht, der Klimapolitik explizit behandelt, durchaus beeindruckende Effekte und Initiativen hervorbringen kann.
Die aktuelle Klimabildung orientiert sich nur ungenügend an wissenschaftlichen Erkenntnissen der Klimaforschung und verpasst damit eine wichtige Chance. Umso bemerkenswerter ist das anhaltende und umfangreiche Engagement der jungen Generation für eine wirksamere Klimapolitik.
Was sollte effektive Klimabildung leisten?
Vor allem sollte sie die Verantwortungsebenen klären. Nicht das private Handeln oder die Einstellung des Einzelnen, sondern unser kollektives Handeln im öffentlichen Raum ist entscheidend. Die großen Emissionseinsparungen und Anpassungsmechanismen erfordern soziale, politische und wirtschaftliche Verantwortung. Auf dieser Grundlage sollten wir Prioritäten richtig setzen und Menschen befähigen, als verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger zu handeln, sodass politische Rahmenbedingungen dazu beitragen, individuelles nachhaltiges Leben ermöglichen. Klimabildung sollte zudem die politische Dimension adressieren und die politische Kompetenz der Lernenden stärken, um fundiertes, eigenständiges und reflektiertes politisches Denken und Handeln aufzubauen. Die politische Perspektive auf die Klimakrise stärker einzubeziehen in Bildung und Kommunikation, birgt großes Potenzial, um zum Verständnis der Ursachen und der wirksamsten Gegenmaßnahmen beizutragen.
Der Artikel wurde zusammengefasst von Anna Geuchen. Die Politikwissenschaftlerin ist Referentin des DNR-Präsidiums.
Der Text basiert auf folgenden Quellen:
Politik – der blinde Fleck der Klimabildung
„BNE ist der zentrale Schlüssel für eine zukunftsfähige Welt“