Nasse Füße, ohne unterzugehen
Die Rolle der Moore für den natürlichen Klimaschutz ist inzwischen bekannt: Sie bilden den größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher und haben ein hohes Potenzial zur Reduktion von Treibhausgasemissionen bei Wiedervernässung, nachzulesen im Mooratlas.
Dies spiegelt sich auch durch ihre hervorgehobene Stellung im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung wider. Dennoch sind die Möglichkeiten bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, insbesondere für landwirtschaftlich genutzte Flächen. Der wichtige Beitrag der Moore zur Klimaanpassung, besonders in Küstenregionen, ist jedoch bisher wenig im Fokus. Bei steigenden Temperaturen und Meeresspiegel sowie zunehmenden Wetterextremen wie Dürren und Starkregen sollte sich dies ändern.
Moore sind einzigartige Ökosysteme, in denen durch ganzjährige Wassersättigung abgestorbene Pflanzenreste und darin enthaltener Kohlenstoff als Torf konserviert werden. Gleichzeitig bilden sich in intakten Mooren neue Bodenschichten mit hohem Porenvolumen. Wie Schwämme können sie Wasser aufnehmen, speichern und langsam wieder abgeben.
Das Konzept der „Schwammstädte“ ist inzwischen breit bekannt, „Schwammlandschaften“ mit Mooren dagegen kaum. Dabei sind sie besonders wertvoll, um große Mengen Wasser aufzusaugen und so zur Regulierung des Landschaftswasserhaushalts beizutragen. Dies hilft, Überschwemmungen zu verhindern, Wasser für Dürreperioden zurückzuhalten und die Auswirkungen von Wasserknappheit abzumildern. Davon profitieren Land- und Forstwirtschaft sowie die Trinkwasserversorgung. Zudem tragen Moore zur Kühlung der direkten Umgebung bei, da die Verdunstung die lokale Lufttemperatur senkt.
Jedoch sind in Deutschland über 95 Prozent der Moore für Land- und Forstwirtschaft und den Torfabbau entwässert. Der Torf zersetzt sich und setzt dabei große Mengen CO₂ frei, was den Klimawandel weiter anheizt. Ein weiteres, oft übersehenes Problem ist der Torfschwund und damit der Höhenverlust. Durch den Wasserentzug fällt der Porenraum des Torfes in sich zusammen. Fahren schwere Landmaschinen darüber, wird er weiter verdichtet und durch oxidative Zersetzung in die Atmosphäre „verbrannt“. So geht in den gemäßigten Breiten Jahr für Jahr durchschnittlich ein Zentimeter Bodenhöhe verloren.
Gleichzeitig beschleunigt sich durch die globale Erwärmung der Meeresspiegelanstieg. Die Küstenregionen von Nord- und Ostsee sind besonders betroffen. In diesen Gegenden befinden sich auch die meisten Moore Deutschlands. Schon heute sind einige Flächen bei anhaltenden Tiefdrucklagen mit starken Stürmen und hohen Niederschlagsmengen kaum noch trocken zu pumpen und Siedlungen in Küstenregionen bedroht. Jetzt haben wir es noch in der Hand, ein kontrolliertes Wassermanagement zu betreiben, damit das Land nicht absäuft, sondern mitwachsen kann. Dazu müssen Wasserstände angehoben und die Bewirtschaftung hin zu Paludikultur, also der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung nasser Moorstandorte angepasst werden.
Moore können auch Küsten schützen und Zugvögeln Rastplätze bieten
Ein wichtiger und faszinierender Moortyp an der Ostseeküste sind die Küstenüberflutungsmoore. Sie übernehmen eine wichtige Schutzfunktion, indem sie als Überflutungsflächen für Wassermassen und natürliche Barrieren dienen, die die Energie von Sturmhochwasser abmildern und die Küstenlinie stabilisieren. Durch gezielte Maßnahmen zur Wiederherstellung und Pflege dieser Moore können Küstenregionen besser gegen die Auswirkungen des Klimawandels gewappnet werden.
Ein gelungenes Beispiel sind die Karrendorfer Wiesen, eine Fläche des Nationalen Naturerbes in der Obhut der Succow Stiftung, in denen seit Anfang der 1990er-Jahre durch Deichrückbau die Wiederherstellung des natürlichen Überflutungsregimes der Ostsee eingeleitet wurde. Das Beweidungssystem mit Robustrindern fördert die Torfbildung. Jedoch zeigte sich, dass die Fläche durch die intensive Entwässerung in DDR-Zeiten dermaßen degradiert ist, dass weitergehende Maßnahmen durchgeführt werden mussten.
Durch die Reaktivierung verlandeter Priele sowie gezielte Mahd und gleichmäßigere Beweidung durch besseren Zugang über neue Furten wurden 2023/24 die Bedingungen für die Wiederansiedlung von Salzgrasland und das Habitat für Zug- und Rastvögel verbessert – also auch die Biodiversität gefördert. Dieses Projekt wurde zu Recht als eines der TOP10-Projekte der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen ausgezeichnet.
Die Anpassung an den Klimawandel erfordert insgesamt ein umfassendes Verständnis der natürlichen Prozesse und die Umsetzung gezielter Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Mooren als Teil von „Schwammlandschaften“ – damit wir im Moor zwar nasse Füße bekommen, aber gerade deswegen nicht untergehen!
Der Autor
Der Landschaftsökologe Jan Peters ist Geschäftsführer der Michael Succow Stiftung, Partner im Greifswalder Moor Centrum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Moore und Klimawandel, insbesondere politische Analysen und Beratung, Moormanagementstrategien einschließlich Paludikultur und Akteursprozesse. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der Wetlands International European Association und seit September 2024 Beisitzer im DNR-Präsidium.