Natürlich gutes Wasser erst 2050?

Die Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sehen einen ambitionierten Gewässerschutz bis 2027 und darüber hinaus vor. Die Bundesregierung möchte bis Ende des Jahres ihre Nationale Wasserstrategie mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket verabschieden. Derzeit ist aber noch offen, wie schnell die Strategie für einen effektiven Schutz von Wasser sorgen wird.
Auf europäischer Ebene gibt es mehrere Richtlinien zum Gewässerschutz, wobei die vor knapp 22 Jahren erlassene Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die bedeutendste ist. Denn die WRRL vereinheitlichte das europäische Gewässerschutzrecht und ist seitdem dessen Fundament. Bis spätestens 2027 muss nach der WRRL ein guter ökologischer und chemischer Zustand für die natürlichen Gewässer oder ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand für die künstlichen und erheblich veränderten Gewässer hergestellt werden. Diese Ziele hätten bis 2015 beziehungsweise 2021 erreicht werden müssen, das Jahr 2027 ist die finale Frist.
Ein großer Teil der Bundesländer verfolgt bei der Umsetzung jedoch den sogenannten Transparenzansatz. Dieser zielt darauf ab, auch für solche Fälle, in denen die Erreichung der Bewirtschaftungsziele bis 2027 als unwahrscheinlich eingeschätzt wird, die Gründe für die Zielverfehlung, die erforderlichen Maßnahmen zur Zielerreichung und eine Abschätzung des Zeitrahmens bis zur Zielerreichung in den Bewirtschaftungsplänen darzulegen. Diese Pläne wurden im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zugänglich gemacht und sehen eine Verschiebung der Umsetzung der WRRL bis nach 2040 und später vor. Wie die Europäische Kommission diese Vorgehensweise bewerten wird, ist noch offen.
2000–2050: EU-Wasserrahmenrichtlinie und Nationale Wasserstrategie
Die konkreten Inhalte der Nationalen Wasserstrategie sind den Umweltverbänden bislang kaum bekannt, denn aktuell läuft noch bis Ende September die Ressortabstimmung der Bundesregierung. Geht dabei alles gut, wird die Länder- und Verbändebeteiligung im Oktober beginnen. Bis dahin steht als aktuelle Information nur die zehnseitige Kurzfassung des Entwurfs des Bundesumweltministeriums (BMUV) vom Juli 2022 zur Verfügung. Sie benennt ein bis 2030 schrittweise umzusetzendes Aktionsprogramm mit zehn strategischen Themen, die bis 2050 entwickelt werden sollen.

Im Erstentwurf (2021) wurden 57 kurz- und mittelfristige Aktionen zur Operationalisierung der Nationalen Wasserstrategie vorgeschlagen, dem aktualisierten Entwurf wurden jetzt 77 Maßnahmen zugeordnet. Welche Maßnahmen neu sind, ist den Umweltverbänden nicht bekannt.
Mit Blick auf die WRRL (und die FFH-Richtlinie) wird als „Ziel für 2050“ formuliert: „Alle Gewässer befinden sich seit Längerem in einem guten ökologischen Zustand oder besitzen ein gutes ökologisches Potenzial entsprechend der WRRL; die FFH-Lebensraumtypen und -arten der Binnengewässer befinden sich in einem günstigen Erhaltungszustand. Wo dies aufgrund natürlicher Gegebenheiten, wie etwa längere Zeiträume in Anspruch nehmende Regenerationsphasen der Ökosysteme, noch nicht der Fall ist, ist ein klarer Verbesserungstrend feststellbar. Auf die Klimakrise und den Biodiversitätsverlust wurde mit angemessenen strukturellen und fachlichen Maßnahmen reagiert, um eine nachhaltige und integrative Gewässerbewirtschaftung zu ermöglichen. Hierzu gehören die Renaturierung und Redynamisierung von begradigten und befestigten Flussläufen, die Wiederanbindung von ehemaligen Auen und deren Vernetzung mit dem Grundwasser sowie die Schaffung von Überflutungsflächen. Der Wasserhaushalt steht in Balance mit den Nutzungsansprüchen.“

Stoppschild 2027 beachten
Mit der Klimakrise steht die Wasserwirtschaft vor gewaltigen Herausforderungen und die Wasserstrategie weist hier endlich einen ganzheitlichen Ansatz auf. Doch wie zuletzt die Umweltkatastrophe an der Oder zeigte, sind bei Niedrigwasser und hohen Temperaturen Kipppunkte schneller erreicht, als bislang erwartet. Jetzt muss es schnellstens darum gehen, unsere Gewässer resilient gegen die Klimakrise zu machen. Das Erreichen des guten ökologischen Zustands ist hier maßgeblich.
Auch wenn Maßnahmen in der Gewässerbewirtschaftung personal- und kostenintensiv sind, wird bei der Wasserstrategie mit einer Umsetzungsperspektive bis 2050 das klare Stoppschild der WRRL überfahren. Statt alles daran zu setzen, die Frist 2027 einzuhalten oder wenigstens die Maßnahmen bis dahin einzuleiten, wird die Umsetzung weiter verschleppt. Deshalb muss in den nächsten Monaten bei der Endabstimmung der Wasserstrategie erheblich nachgeschärft werden. Ein Ausspielen der Ziele des Gewässerschutzes mit vermeintlichen Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes – wie im Osterpaket der Ampel-Koalition mit der fortgesetzten Förderung der Kleinen Wasserkraft geschehen – darf sich diesmal nicht wiederholen. Am 28. Oktober wird das Gewässerschutzforum der Umweltverbände digital stattfinden. Genau diese Fragen werden dort diskutiert.
Der Autor
Sascha Maier hat Philosophie mit Schwerpunkt Umweltethik studiert. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Fließgewässerschutz und Wasserrahmenrichtlinie. Er ist Referent für Gewässerpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Weitere Informationen
Nationale Wasserstrategie, Entwurf des Bundesumweltministeriums
Gewässerschutzforum der Umweltverbände zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)