Naturwiederherstellung: Entscheidung vertagt
Nachdem am 22. März bei der vorbereitenden Sitzung (AStV/COREPER) keine Mehrheit für die Abstimmung des Umweltrates über die Naturwiederherstellungsverordnung (Nature Restauration Law – NRL) gefunden werden konnte, flog das Thema von der Agenda des Umweltrates am 25. März.
Zuverlässigkeit scheint derzeit kein EU-Wert mehr zu sein. Eine eigentlich als „formal“ gehandelte Zustimmung der Mitgliedstaaten zum bereits im November ausgehandelten (EU-News 10.11.2023) und im EU-Parlament bestätigten (EU-News 28.02.2024) Trilog-Kompromiss zum NRL ist nun „auf unbestimmte Zeit verschoben“. Agenturmeldungen zitieren die belgische Ratspräsidentschaft, dass das NRL aber „zügig“ wieder auf die Tagesordnung kommen soll. Für eine qualifizierte Mehrheit im Rat bräuchte das Gesetz die Zustimmung von mindestens 15 der 27 EU-Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Das breite Bündnis #RestoreNature kritisierte die „Kehrtwende“, die besonders durch Ungarns Position, aber auch durch deren Billigung durch Schweden, Polen, Finnland, den Niederlanden, Belgien, Österreich und Italien, zustande gekommen sei. Trotz der breiten Unterstützung durch Bürger*innen, das Europäische Parlament, Wissenschaft, Unternehmen und 19 Mitgliedstaaten werde das NRL durch politische Manöver in letzter Minute in Geiselhaft genommen. Die #RestoreNature-Koalition, bestehend aus BirdLife Europe, ClientEarth, EEB und WWF EU, verurteilte „alle Mitgliedstaaten, die das Gesetz nicht unterstützen - im besten Fall deutet dies auf ein tiefes Unverständnis der Situation hin, in der wir uns befinden und was dies für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger bedeutet“. Es sei völlig unverständlich und entsetzlich zu sehen, wie das NRL ohne jede rationale Erklärung auf dem Altar einer populistischen anti-grünen Stimmung geopfert werde. Dies untergrabe den demokratischen Entscheidungsprozess und die Glaubwürdigkeit der EU. Die belgische Ratspräsidentschaft müsse dafür sorgen, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werde.
Auch auf deutscher Ebene hatte eine inzwischen als "German Vote" berüchtigte Enthaltung gedroht; die FDP hatte nach langen Verhandlungen hinter den Kulissen eingelenkt, so dass Deutschland für das NRL stimmt, sofern ein Zusatzprotokoll (Protokollnotiz) mit aufgenommen wird (Artikel Riffreporter). Durch das Umkippen Ungarns lag die Mehrheit bei nur 64,05 statt bei 65 Prozent. Auch die Niederlande, Italien, Schweden und Polen wollen den Vorschlag nicht unterstützen. Österreich, Finnland und Belgien enthielten sich der Stimme.
Greenpeace Europa befürchtet, dass das von den COREPER-Diplomat*innen „still und leise von der Tagesordnung“ gestrichene und damit auf Eis gelegte Gesetz zur Wiederherstellung der Natur damit vielleicht sogar bis nach den Wahlen zum Europäischen Parlament und der Ernennung einer neuen Europäischen Kommission verschoben werden könnte. Greenpeace-Expertin Špela Bandelj Ruiz sagte: „Es ist eine Schande, dass die Regierungen die ersten kleinen Schritte zur Wiederherstellung der europäischen Natur torpedieren. Sie spielen mit dem Leben künftiger Generationen und dem Lebensunterhalt der Landwirte, die sie angeblich schützen wollen. Ohne Natur gibt es keine Nahrung und keine Zukunft.“
Das NRL war dennoch Thema beim Umweltrat, schon weil es sonst der „Elefant im Raum“ (belgische Präsidentschaft) geblieben wäre. Unterstützende Erklärungen gaben nicht nur der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. Auch insgesamt 14 Mitgliedstaaten brachten ihre Unterstützung der NRL zum Ausdruck: Deutschland, Slowenien, Irland, Tschechien, Spanien, Estland, Frankreich, Dänemark, Portugal, Luxemburg, Litauen, Kroatien, Zypern und Bulgarien. Besonders der irische Minister äußerte in einer emotionalen Rede seine große Besorgnis darüber, dass die vorläufige Einigung keine Mehrheit fand und was dies - jenseits vom Schutz der Natur und des Klimas - auch für Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der EU habe. [jg]
dpa-Europaticker: Entscheidung über umstrittenes EU-Naturschutzgesetz verschoben
EEB: Member States betray deal on Nature Restoration Law following Hungary’s U-turn
Greenpeace: Governments freeze EU nature restoration law