Neuer Fiskalrahmen - Fehlschlag für gerechten Übergang in Klimakrise?
Die EU-Kommission hat am 26. April neue Rechtsakte vorgeschlagen, um „die umfassendste Reform der EU-Vorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung seit der Wirtschafts- und Finanzkrise umzusetzen“. Der neue Fiskalrahmen soll hoch verschuldeten Ländern mehr Flexibilität beim Schuldenabbau geben. Umweltorganisationen fehlt die konkrete Ausrichtung auf eine sozial-ökologische Transformation.
Die EU-Kommission will sowohl die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung verbessern als auch in allen Mitgliedstaaten Fortschritte auf dem Weg zu einer grünen, digitalen, inklusiven und widerstandsfähigen Wirtschaft machen. Gleichzeitig soll die EU wettbewerbsfähiger werden. Die Vorschläge umfassen eine Reform des Europäischen Semesters, die Schuldenregeln im Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten. Die Brüsseler Behörde setzt auf mehr nationale Eigenverantwortung auf Basis gemeinsamer EU-Vorschriften, also auf individuelle Wege, um Schulden und Defizite langfristig zu senken. Jährliche Fortschrittsberichte sollen eine wirksamere Überwachung von Zusagen erleichtern. Gleichzeitig bleiben die Obergrenzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, nämlich Schulden bei maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu begrenzen und Haushaltsdefizite bei unter drei Prozent zu belassen, erhalten. Darüber liegende Länder müssen ihre Ausgaben jährlich um mindestens 0,5 Prozent des BIP anpassen, um die Überschuldung zu beenden.
Laut dpa-Europaticker gehen die Vorschläge der EU-Kommission dem deutschen Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht weit genug. Er forderte konkretere für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gültige Vorgaben und „Haltelinien“. In einem auf der Ministeriumsseite veröffentlichten Gastartikel für die Financial Times schreibt Lindner: „Wir sind überzeugt, dass nachvollziehbare und gemeinsam vereinbarte numerische Benchmarks eine Mindestvoraussetzung sind, um sinkende Schuldenquoten und Gleichbehandlung zu gewährleisten.“ Politico erwartet „Reibereien” und „monatelange harte Verhandlungen”.
Umweltverbände hatten sich in der letzten Woche gegen zu starre Fiskalregeln ausgesprochen, da sie die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zur Resilienz in Krisenzeiten schwächten und zu wenig Spielraum für ökologische und soziale Investitionen ließen (EU-News 21.04.2023).
EEB: Planetare Gesundheit muss Vorrang haben!
Das Europäische Umweltbüro (EEB) und Fiscal Mattters kritisierten (Twitter Thread), dass der Vorschlag für die Reform der EU-Steuerregeln ein „Fehlschlag“ bei Förderung notwendiger Investitionen für einen gerechten Übergang sei. Es sei Zeit für einen Vorschlag, der der Gesundheit unseres Planeten Vorrang einräumt.
- Bisher gebe es weder einen Vorschlag zur Reform des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht noch einen Vorschlag zur Einbeziehung von Klimarisiken.
- Auch ein Vorschlag zur Schaffung einer EU-Finanzkapazität und eines neuen EU-Fonds für eine gerechte Transformation und ein gerechtes Klima als Ergänzung zur Reform der EU-Finanzvorschriften fehlten.
- Es gebe keine konkrete Kriterien, die sicherstellen, dass nationale Investitionen und Reformen keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben.
- Es mangele an Klarheit über klimabedingte Haushaltsrisiken und die positiven Auswirkungen grüner Investitionen auf die Schuldentragfähigkeit. Der Vorschlag der EU-Finanzminister, die „Verbesserung der Widerstandsfähigkeit” als Kriterium in die Bewertung einzubeziehen, wurde nicht in den Vorschlag aufgenommen.
Und dass keine klare Vorzugsbehandlung für „zukunftsorientierte“ öffentliche Ausgaben geplant ist, gebe Anlass zur Sorge über die Qualität der Investitionen und die Überbrückung von EU-Finanzierungslücken zur Erreichung von Klima-, Sozialpolitik- und Geschlechterzielen, so EEB und Fiscal Matters. [jg]
Kommission schlägt neue Vorschriften für eine zukunftsfähige wirtschaftspolitische Steuerung vor Pressemitteilung sowie Questions and Answers
dpa-Europaticker: Reformvorschläge zu EU-Schuldenregeln greifen Deutschland zu kurz