Nutzungskonflikte im Alpenraum – weniger Verbote, bessere Angebote
Die Alpen sind im Wandel: Die negativen Auswirkungen der Klimakrise sind spürbar angekommen. Gleichzeitig bedrohen weiterhin ökonomische Interessen unerschlossene Naturräume durch Ausbaupläne von Gletscherskigebieten oder den Bau großer Pumpspeicherkraftwerke.
Von Tobias Hipp, DAV
Zu guter Letzt tragen wir Bergsportler*innen selbst dazu bei, dass es in den Bergen nicht ruhiger wird. Bergsport ist schon lange kein Nischensport mehr, es ist ein facettenreicher Breitensport auf allen Ebenen geworden: im Winter auf Skitour, beim Schneeschuh- bzw. Winterwandern oder Eisklettern, im Sommer beim Sportklettern, Alpinklettern, Mountainbiken, Wandern, Trailrunning, klassischem Bergsteigen, Paragliding oder jegliche erdenkbare Kombination dieser Sportarten.
Spätestens während der Corona-Pandemie hat die Beliebtheit von Outdoor- und Bergsportarten einen Höhepunkt erreicht: Die Erholung an der frischen Luft und Bewegung in der Natur hat einen noch nie dagewesenen Stellenwert in der Gesellschaft. Aus Sicht eines Bergsportverbands ist das erstmal großartig. Immer mehr Menschen lieben die Natur und den Bergsport, bewegen sich, bleiben gesund und fit. Gleichzeitig wird es dem Deutschen Alpenverein (DAV) als Naturschutzverband auch hier und da etwas unwohl: Immer mehr Menschen bedeutet auch eine Zunahme von negativen Auswirkungen auf Natur, Landschaft, Flora und Fauna.
Als Bergsport- und Naturschutzverband ist es daher satzungsmäßige Aufgabe des DAV, sich einem großen Zukunftsthema zu widmen: Zugang zur Natur erhalten, Sperrungen, Verbote oder Nutzungskonflikte vermeiden und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt so gering wie möglich halt.
„Natürlich biken“ – Für ein Miteinander von Hike und Bike
Das Pendant zum Skitourengehen ist das Mountainbiken im Sommer. Um Konflikte so gering wie möglich zu halten, werden in Modellregionen nachhaltige Mountainbike-Konzepte umgesetzt. Ziele und Maßnahmen reichen von Aufklärung über Ausbildung für naturverträgliches Verhalten bis hin zur Etablierung von Shared-Trails oder sogar explizit ausgewiesenen Mountainbike-Trails. „Sharing is caring“ gilt schließlich auch für die Wege-Infrastruktur.
Felsklettern und Naturschutz sind vereinbar: Natürlich klettern
Kletterkonzeptionen – also Regelungen, wo und wann an welchem Felsen geklettert werden darf – stellen den Klettersport an natürlichen Felsen in Deutschland langfristig sicher. Dadurch können problemlos auch einzelne Felsen vorrübergehend während der Vogelbrut gesperrt werden, ohne dadurch die Akzeptanz der Kletterer sowie der Behörden zu verlieren – es gibt ja weiterhin genug bekletterbare Felsen in der Region. So leistet jeder Kletterer gerne einen Beitrag zum Vogelschutz und weicht aus, kompliziert wird es erst bei flächenhaften und pauschalen Sperrungen. Informationen zu den Sperrungen bietet die DAV Felsinfo und zur Kampagne #natürlichklettern erfahren Sie alles hier.
„Natürlich auf Tour“ – Skitourengeher für den Artenschutz
Seit 1995 bemüht sich der DAV für ein Miteinander zwischen Skitourengehern und sensiblen Lebensräumen in den Bayerischen Alpen. In Abstimmung mit Entscheidungsträgern und Interessensvertretern in den einzelnen Regionen wurden mittlerweile mehr als 500 naturverträgliche Skitouren und rund 220 sogenannte Wald-Wild-Schongebiete ausgewiesen. Hier verzichten Skitourengeher freiwillig auf die Befahrung zum Schutz der Rauhfußhühner.
Unerschlossene Räume im Visier
Parallel zu diesen Bemühungen scheint aber die Erschließung der Alpen doch noch nicht abgeschlossen zu sein. Trotz Klima- und Biodiversitätskrise und der verheerenden Gletscherschmelze droht im Tiroler Kaunertal die Erschließung der größten zusammenhängende Gletscherfläche der Ostalpen rund um Gepatschferner und Weißseespitze mittels Skiliften und Pistenflächen. Ein vergleichbares Vorhaben ist die Erweiterung des Pitztaler Gletscherskigebiets auf den Mittelbergferner und Linken Fernerkogel. Durch solche Vorhaben werden nicht nur wichtige Ökosysteme durchschnitten und alpine Landschaft endgültig entwertet – auch gehen uns wichtige Räume für den Bergsport und somit für eine nachhaltige und naturverträgliche Tourismusform verloren. In einem voraussichtlich langjährigen Verfahren wird sich der DAV klar für den Erhalt dieser Naturräume einsetzen.
Der Autor
Der Geowissenschaftler Dr. Tobias Hipp ist beim Deutschen Alpenverein im Beriche Alpine Raumplanung tätig.