Ombudsfrau legt Finger in die Wunden
Zu „laxe Ethikregeln“ im EU-Parlament, Mängel in der EU insgesamt bei der Transparenz, beim Zugang zu Gerichten und der Einbeziehung der Öffentlichkeit, auch im Umweltbereich. Die Europäische Bürgerbeauftragte hat Schwachstellen für Lobbyismus aller Art untersucht und außerdem festgestellt, dass Fristen oft nicht eingehalten werden.
Nach dem Korruptionsskandal im EU-Parlament muss die EU mehr tun, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institution wiederherzustellen. Das ist dem Jahresbericht der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly zu entnehmen, den sie am 25. April vorgelegt hat. Der größte Anteil der Beschwerden im Jahr 2022, nämlich 32 Prozent, entfalle auf die Bereiche Transparenz und Rechenschaftspflicht. Des Weiteren war der sogenannte Drehtür-Effekt Thema, bei dem es um die „Abkühlungsphase“ und Interessenskonflikte vom EU-Personal nach ihrer Tätigkeit für die Europäische Union geht. O’Reilly hat unter anderem die Europäische Zentralbank aufgefordert, bei Personalwechseln in den Finanzsektor besonders wachsam zu sein. Die Ende 2022 aufkommenden Korruptionsvorwürfe im Europäischen Parlament hätten außerdem „ein Schlaglicht auf die laxen Ethikregeln im Parlament wie auch in der institutionellen EU insgesamt“ geworfen, so die Ombudsfrau. Der Status der EU als globale Regulierungs-, Handels- und politische Macht mache sie zu einem „natürlichen Ziel“ für Lobbyisten, die Industrie und ausländische Staaten, die versuchen, ihre Entscheidungsfindung zu beeinflussen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Ethik- und Anti-Korruptionsvorschriften der EU diesem Druck standhalten können“, forderte O‘Reilly. Sie kündigte an, die EU-Verwaltung in diesem Bereich zu stärken, und weiter als „unabhängiges Ethik-Überwachungsgremium“ aufzuzeigen, wo die Standards nachgelassen haben und was verbessert werden kann. Auf Eigeninitiative hat die Ombudsstelle außerdem untersucht, wie es mit der Transparenz und Beteiligung an Umweltentscheidungen in der EU bestellt ist.
Wenig durchsichtig: Transparenz von EU-Umweltentscheidungen
Am 25. April hat die Ombudsstelle außerdem die Ergebnisse einer Konsultation von 18 Organisationen und Einzelpersonen zur Transparenz von EU-Umweltentscheidungen veröffentlicht. Demnach gibt es „eine Reihe von Bedenken bezüglich des Zugangs zu Informationen und der Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Es gebe teilweise Schwierigkeiten, Entscheidungsprozesse zu verfolgen oder zu ihnen beizutragen. Dazu gehörten die späte Veröffentlichung von Informationen wie Tagesordnungen, mangelnde Transparenz bei der Lobbyarbeit und Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen über Trilog-Gespräche zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über Gesetzesentwürfe. Problematisch sei auch der Umgang der EU-Institutionen mit Anträgen auf Zugang zu Dokumenten sowie Zugang zu Informationen über bestimmte EU-Fonds, wie die von der Europäischen Investitionsbank verwalteten, oder über Finanzierungen mit Umweltauswirkungen, wie im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Um die Zivilgesellschaft besser einzubeziehen, hätten die Befragten vorgeschlagen, dass die Kommission vorläufige Positionen zu politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften mitteilen sollte. Es fehle außerdem an Transparenz darüber, wer an öffentlichen Konsultationen teilnimmt. Die Konsultation fand zwischen September und Dezember 2022 statt.
Zugang zu Dokumenten: „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“
Bereits Anfang April hatte die Europäische Ombudsstelle die EU-Kommission aufgefordert, sich dringend mit „systemischen Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten“ zu befassen. Es müsse ein grundsätzliches Umdenken stattfinden, damit die in der EU-Transparenzverordnung festgelegten Fristen eingehalten werden können. In 85 Prozent der Fälle, bei denen die EU-Kommission den nicht erteilten Zugang zu Dokumenten aufgrund von Beschwerden prüfen soll, werden die Fristen nicht eingehalten. Über 60 Prozent dieser Nachprüfungen dauerten mehr als 60 Arbeitstage, obwohl die Höchstdauer bei 30 Arbeitstagen liegt. Die Ombudsfrau räumte ein, dass die Zahl und Komplexität der von der Kommission bearbeiteten Anträge zunimmt, 2021 seien es über 8.000 gewesen. Allerdings habe sich bei Sichtung der Beschwerden gezeigt, dass es „häufig zu langen Verzögerungen in Fällen kommt, die von großem öffentlichen Interesse sind“. Informationen für Recherche- oder journalistische Zwecke seien dann häufig nicht mehr von Nutzen, Bürgerinnen und Bürger könnten bei der Entscheidungsfindung nicht mehr mitreden. [jg]
Ombudsstelle: Pressemitteilung zum Jahresbericht und Jahresbericht 2022
Ombudsman publishes overview of responses to public consultation on environmental decision making
Ombudsstelle zum Zugang zu Dokumenten: Pressmitteilung und Empfehlung
Kurz & Knapp zur EU-Umweltpolitik
- Gegen unfaire Praktiken, für mehr Verbraucherschutz: Der Ministerrat hat am 3. Mai seinen Standpunkt zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel beschlossen.
- Produktsicherheit: Ende April hatte der Ministerrat bereits für mehr Produktsicherheit gestimmt und die Marktüberwachung für unsichere Produkte verbessert (Reaktion BMUV).
- Bioökonomie: Am 25.April hat der Ministerrat Schlussfolgerungen zu den Chancen der Bioökonomie beschlossen, die zur Förderung eines nachhaltigeren, wettbewerbsfähigeren und krisenfesteren Europas und Stärkung des ländlichen Raums dienen sollen.
- Sorgfaltspflichten in Unternehmen: Ende April hat der Rechtsausschuss im EU-Parlament JURI seine Position für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft ohne Sklaverei, Kinderarbeit und Umweltverschmutzung festgelegt (Due Diligence Vorschlag und Reaktion WWF).