Schlechter Zustand: EU-Umweltagentur setzt auf Renaturierung
Obwohl Natur und biologische Vielfalt „der Schlüssel zu funktionierenden Gesellschaften und Volkswirtschaften“ sind, befinden sich Ökosysteme in einem alarmierenden Zustand. Das zeige, wie groß die Bedeutung der Wiederherstellung der Natur in Europa ist. Mit dieser klaren Botschaft hat die Europäische Umweltagentur (EEA) sich am Europatag zu Wort gemeldet.
Laut EEA-Briefing befinden sich in der EU 81 Prozent der geschützten Lebensräume, 39 Prozent der geschützten Vögel und 63 Prozent der anderen geschützten Arten in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. Nur ein sehr kleiner Teil davon hat sich in den letzten Jahren verbessert. Durch fehlenden Einsatz bei Wiederherstellungsmaßnahmen sowie den wachsenden Druck seien die von der Natur erbrachten Ökosystemleistungen wie die Kohlenstoffbindung und die Klimaregulierung bedroht. Zwar machten Schutzgebiete 26 Prozent der Land- und 12 Prozent der Meeresfläche in der EU aus, doch reiche dies nicht aus, um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Die Fläche der geschützten Lebensräume in Europa, die einer Wiederherstellung bedürfen, schätzt die EEA auf mindestens 259.000 Quadratkilometer. Der monetäre Nutzen der Wiederherstellung eines breiten Spektrums von Mooren, Sümpfen, Wäldern, Heiden und Gebüschen, Grünland, Flüssen, Seen, Auenlebensräumen und Küstenfeuchtgebieten in der EU wird auf rund 1.860 Milliarden Euro geschätzt. Die vermuteten Kosten lägen bei rund 154 Milliarden Euro. Die Wiederherstellung der Natur stelle also keine Nettokosten dar.
Zum Verlust der biologischen Vielfalt trügen verschiedene Faktoren bei, darunter Landnutzung, Umweltverschmutzung und Klimawandel. Sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schutzgebieten seien Wiederherstellungsbemühungen mit anschließender kontinuierlicher Bewirtschaftung der wiederhergestellten Gebiete erforderlich. Nur dies könne sicherstellen, dass die Nutzung der planetaren Ressourcen auch in Zukunft nachhaltig ist. Renaturierungsmaßnahmen seien nicht nur wegen des ihr innewohnenden Wertes der Natur wichtig, sondern auch, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern und die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern, so die EEA. Das Briefing widerspricht damit indirekt dem Vorstoß der Konservativen, die durch das von der EU-Kommission vorgeschlagene Naturschutzpaket aus Wiederherstellungsgesetz und Pestizidverordnung die Ernährungssicherheit und Eigentumsrechte bedroht sehen (EU-News 10.05.2023).
- In der EU hingen 84 Prozent der Nutzpflanzen zumindest teilweise von der Bestäubung durch Insekten ab, die Wiederherstellung von Bestäuberlebensräumen trage deshalb zur Verbesserung der künftigen Ernährungssicherheit bei.
- Die Verbesserung und Vergrößerung der Fläche von Wäldern, Feuchtgebieten und Seegraswiesen erhöhe die Bindung und Speicherung von Kohlenstoff. Die Wiederherstellung verbessere die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme, unterstütze naturbasierte Produktionssysteme und helfe bei der Anpassung an Extremwetterereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel.
- Zudem könne die Wiederherstellung von Ökosystemen die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen verbessern, indem mehr Grünflächen zur Verfügung stünden, die Umweltverschmutzung verringert und das Risiko der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen reduziert werde.
Weltweit seien laut Weltbiodiversitätsrat IPBES derzeit 75 Prozent der Landflächen und 66 Prozent der Ozeane der Erde durch menschliche Aktivitäten stark verändert. [jg]