Umweltrat zu „Fit for 55”, Batterien und Bodenschutz
Die EU-Umweltminister*innen haben sich am Montag in langer Sitzung unter anderem über den ersten Teil des „Fit for 55”-Paketes, die geplante EU-Batterien-Verordnung und die vorgeschlagene Bodenschutzstrategie ausgetauscht. Große Teile des Umweltrats wurden öffentlich übertragen.
Fit for 55 - sozialer Ausgleich, etwas größere Offenheit für Einbeziehung von Verkehr und Gebäuden in ETS
Bei der sich dem Umweltrat anschließenden Pressekonferenz berichteten der slowenische Umweltminister Andrej Vizjak für die Ratspräsidentschaft und der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius über die Ergebnisse. Sie betonten, dass die steigenden Energiepreise von äußeren Faktoren beeinflusst seien und nichts mit dem europäischen Green Deal zu tun hätten. Die Mitgliedstaaten seien sich aber einig, dass es einen sozialen Ausgleich für arme Haushalte geben müsse. Der Fortschrittsbericht der slowenischen Präsidentschaft umfasste die folgenden Legislativvorschläge:
- Europäischer Emissionshandel (ETS) und dessen Erweiterung auf Verkehr und Gebäude,
- Überarbeitung der Verordnung über die Lastenteilung (nicht EU-ETS),
- Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und für Nutzfahrzeuge
- Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie
- die Einrichtung des „Klima-Sozialfonds“.
Insgesamt sei man auf einem guten Weg, das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, sagte Vizjak. Deutschland unterstützte die Vorschläge des „Fit for 55“-Paketes. Außerdem will Deutschland sich für die Stärkung des EU-ETS und für eine ambitionierte Reform inklusive der Ausweitung auf Gebäude und Verkehr einsetzen. „Der Emissionshandel auf EU-Ebene mit einem Mindestpreis von 60 Euro pro Tonne ist aus unserer Sicht auch ein zentrales Element für unser Ziel, den Kohleausstieg in Deutschland schon bis 2030 zu vollenden. Daher gilt es, den Emissionshandel auch und gerade mit Blick auf die EU-Klimaziele nochmals deutlich zu stärken“, sagte Dr. Patrick Graichen.
EU-Batterienverordnung soll nächstes Jahr verabschiedet werden
Zur geplanten Verordnung für nachhaltige Batterien - so äußerte EU-Kommissar Sinkevičius hoffnungsvoll - könnte es ab Frühjahr unter französischer Ratspräsidentschaft bereits zum Trilog kommen, sodass sie im Sommer verabschiedet werden könnte. Das EU-Parlament plant, sich im Februar zu diesem Thema zu positionieren, voraussichtlich am 17. März 2022 könnte der Umweltrat zu einer allgemeinen Ausrichtung kommen.
Die Verordnung umfasst Batterien für die E-Mobilität und deren gesamten Lebenszyklus. Produktion, Nutzung und Recycling sollen an strengen Umwelt- und Klimaschutzkriterien ausgerichtet sein. Vizjak betonte, dass sich die Mitgliedstaaten unter anderem für Flexibilität aussprachen. Der slowenische Vorsitz hatte dem Rat einen Fortschrittsbericht über den Stand der Beratungen über die Rechtsvorschriften zu Batterien und Altbatterien vorgelegt.
EU-Umweltkommissar Sinkevičius betonte, dass die Produktion von Batterien in Kürze stark ansteigen dürfte, und dass die Wirtschaft deshalb möglichst zügig Rechtssicherheit brauche.
Mit der geplanten Batterie-Verordnung soll ein digitaler Produktpass mit öffentlich zugänglichen Informationen zur Herstellung, zu Eigenschaften der Batterien und ihrer Umweltbilanz eingeführt werden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke nannte Batterien als Energiespeicher für Erneuerbare „das Herzstück der Elektromobilität”. Um breit akzeptiert zu werden, müssten sie allerdings umwelt- und klimafreundlich und ihre Eigenschaften transparent sein. „Konsequente Nachhaltigkeit über die Rohstoffe, die Produktion bis zum Recycling muss daher unser oberstes Ziel sein, unter Beachtung der Menschen- und Arbeitsrechte auf allen Produktionsstufen. Mit diesem Anspruch wollen wir die EU-Batterieverordnung gestalten“, so Lemke zu ihrer Position aus deutscher Sicht.
Bodenschutzstrategie: Scheinbar gibt es keine Sperrminorität mehr
Außerdem tauschte sich der Umweltrat über die am 17. November (EU-News 17.11.2021) veröffentlichte EU-Bodenschutzstrategie aus. In Anbetracht der dramatisch schlechten Situation der Böden könne eine Verordnung auf EU-Ebene eine gute Möglichkeit sein, die Vision, dass bis 2050 alle Böden einen „guten Zustand" erreicht haben, umzusetzen, schlussfolgerte Vizjak in der Pressekonferenz.
Belgien, Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechien, Portugal und Zypern hatten sich sogar schon kurz vor der Veröffentlichung der Strategie ausdrücklich für eine EU-weite Regelung in diesem Bereich ausgesprochen. Die neue Bundesregierung in Deutschland unterstützt laut Koalitionsvertrag ebenfalls einen rechtsverbindlichen EU-Legislativvorschlag, was quasi eine EU-bodenschutzpolitikhistorische Kehrtwende darstellt.
Für die neue deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke war die Umweltratstagung eine Premiere. Zusammen mit Staatssekretär Patrick Graichen, der den Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck vertrat, betrat sie erstmals in ihrer Amtszeit das Brüsseler Parkett.
Der Präsident des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring, Kai Niebert, kommentierte: „Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, ihre Politik in Deutschland und Europa auf den 1,5-Grad-Pfad auszurichten. Sie hat jetzt die Chance und den Auftrag zugleich, den klimapolitischen Aufbruch, den die Ampel verkündet hat, auch nach Europa zu tragen, das „Fit for 55“-Paket tatsächlich 1,5-Grad-kompatibel zu machen und das Klimapaket der EU-Kommission entsprechend nachzuschärfen.“ Darüber hinaus müsse die Bundesregierung „nach jahrelanger Blockade in der Großen Koalition" eine EU-weit gültige Richtlinie zum Schutz der Böden vorantreiben. „Lemke will ihr Haus zum Ministerium für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen machen. In Europa hat sie nun die Chance, mit der Bodenstrategie das Fundament dafür zu legen“, so Niebert.
Sonstiges: entwaldungsfreie Lieferketten, neue Gentechnik, Schiffsverkehr im Mittelmeer et al.
Ebenfalls auf der Tagesordnung: der Vorschlag zur Minimierung des Risikos von Entwaldung und Waldschäden, neue genomische Verfahren (eingebracht von Österreich mit dem Plädoyer, dass nicht nur Landwirtschafts-, sondern auch Umweltrat entscheiden möge), ein neues UN-Abkommen zur Bekämpfung von Plastikverschmutzung (Thema beim Arbeitsmittagessen mit UN-Vertreter) und der Beschluss, dass das Mittelmeer soll ab 2025 schwefelemissionenfreie Zone sein soll [Hintergrund siehe NABU-Pressemitteilung]. Es wurde von der COP 26 (Klimaschutz) und den Fortschritten für die COP 15 (biologische Vielfalt) berichtet und die Arbeitsplanung der französischen Ratspräsidentschaft vorgestellt, die am 1. Januar 2022 den Vorsitz übernimmt. [jg]
Umweltrat: Tagesordnung und Links zu Viodeomitschnitten: Media advisory - Environment Council, 20 December 2021
Ergebnisse Umweltrat: Environment Council, 20. Dezember 2021 - Main results
Pressemitteilung der slowenischen Präsidentschaft vom 17. Dezember: Minister Vizjak stellt den Umweltministern die Fortschritte des "Fit für 55“-Legislativpakets vor
Pressemitteilung Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV): Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Staatssekretär Patrick Graichen nehmen gemeinsam am EU-Umweltrat teil
DNR: Bundesregierung reist zu Klimaschutzverhandlungen nach Brüssel
Post vom Europäischen Umweltbüro
Traditionell hat unser europäischer Dachverband, das Europäische Umweltbüro (EEB), sich im Vorfeld des Rates mit Forderungen und Empfehlungen an die Umweltminister*innen gewandt. Hier geht es zum Brief.