Verletzung von EU-Umweltrecht: kritische Post für Deutschland
Die EU-Kommission hat die monatlichen Vertragsverletzungsverfahren bekanntgegeben. Vier Staaten müssen sich vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten: wegen mangelnden Schutzes von Gewässern, Mooren und der Biodiversität. Deutschland bekommt Abmahnungen wegen nicht ausreichenden Vogelschutzes und fehlender Lärmaktionspläne. Auch die deutsche Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie hat noch Mängel.
Alle Vögel sind schon da...? Mitnichten, denn es fehlen in Deutschland weiterhin Schutzgebiete und -maßnahmen. Die EU-Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren (VVV) gegen Deutschland eingeleitet: Das Land hat die Maßnahmen zur Erhaltung wild lebender Vogelarten gemäß der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) nicht hinreichend umgesetzt. Für fünf Vogelarten gebe es keine Ausweisung der geeignetsten Gebiete als besondere Schutzgebiete und auch keine ausreichende Vernetzung solcher Gebiete. Für 220 von 742 bestehenden Schutzgebieten seien außerdem noch keine Erhaltungsmaßnahmen festgelegt worden. Deutschland habe darüber hinaus das Schutzgebiet „Unterer Niederrhein“, in dem die Zahl der geschützten Vogelarten erheblich zurückgegangen ist, nicht ausreichend geschützt. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, auf das Aufforderungsschreiben zu reagieren.
Der BUND begrüßte diesen Schritt. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt kritisierte: „Deutschland ist wirklich kein Musterschüler im Umwelt- und Naturschutz und verschleppt systematisch die Umsetzung geltenden Rechts.“ Insbesondere in Niedersachsen und Schleswig-Holstein seien Vogelschutzgebiete entweder gar nicht oder nur in Teilen als Schutzgebiete gesichert. Das sei eine „große Lücke“. Der rheinland-pfälzischen Landesregierung wirft der Verband sogar „Täuschungsmanöver“ vor, da zwar eine Vielzahl von Vogelarten offiziell gemeldet, aber tatsächlich gar nicht ausreichend geschützt würden. Aufgrund von Landesregelungen werde „der Schutz solcher Arten bei Großprojekten aber einfach ausgeblendet“. Dies sei in „in Zeiten von Biodiversitäts- und Klimakrise alles andere als ein Kavaliersdelikt“, so Bandt.
Auch beim Schutz der Bevölkerung vor Lärm gibt es Defizite, weshalb die EU-Kommission Deutschland aufgefordert hat, Lärmaktionspläne für alle Hauptverkehrsstraßen aufzustellen. Gemäß der Richtlinie 2002/49/EG über Umgebungslärm müssen die Mitgliedstaaten Lärmaktionspläne für Ballungsräume, Straßen, Eisenbahnstrecken und Flughäfen erstellen. Da Lärm nach der Luftverschmutzung die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Todesfälle sei, müsse das Ziel, den Anteil der durch Verkehrslärm chronisch beeinträchtigten Menschen bis 2030 um 30 Prozent (im Vergleich zu 2017) umgesetzt werden, so die Kommission.
Einen Schritt weiter im VVV ist die EU-Kommission bei den Erneuerbaren. So hat die „Hüterin der Verträge“ Deutschland eine „ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme“ an Deutschland zu richten, die EU-Vorschriften zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen nach der Richtlinie (EU) 2018/2001 bisher nicht vollständig umgesetzt hat.
Auch andere Länder haben Post von der EU-Kommission bekommen: Spanien muss bei der Behandlung von Siedlungsabfällen nachbessern, Bulgarien die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie besser umsetzen, Slowenien und Zypern haben Defizite bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie beziehungsweise dem Schutz der Natura-2000-Gebiete.
Klagen wegen umweltbezogener Vertragsverletzungsverfahren: Wasser, Moore, FFH
Die Endstufe der VVV ist der Schritt vor Gericht. So will die Kommission verschiedene Mitgliedstaaten verklagen, weil diese auch nach den ersten erfolgten Schritten im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren das EU-Umweltrecht nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Es drohen hohe Strafzahlungen, falls der Europäischen Gerichtshof (EuGH) der EU-Kommission Recht gibt.
- Griechenland wird vor dem EuGH verklagt, weil das Land die Überprüfung seiner Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete gemäß der Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) und seiner Hochwasserrisikomanagementpläne gemäß der Hochwasserrichtlinie (Richtlinie 2007/60/EG) nicht abgeschlossen hat
- Italien wird wegen Nichteinhaltung der in der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Richtlinie 91/271/EWG) verklagt.
- Irland wird wegen mangelnden Schutzes seiner Moore verklagt.
- Zypern muss sich vor dem EuGH ebenfalls verantworten: Wegen nicht erfolgter Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG). [jg]
EU-Kommission: Vertragsverletzungsverfahren im März: wichtigste Beschlüsse
Kommentar BUND: Vogelschutz-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland richtig