Vertragsverletzung: Ungenügender Schutz vor Chemikalien in Deutschland
Die EU-Kommission verschickt „blaue Briefe“: Die eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren betreffen wieder mal auch das Umweltrecht, unter anderem Vorschriften zu Abwasser, Industrieemissionen und Lärm. Gegen Deutschland gibt es drei Verfahren: eines im Bereich Chemikalien, zwei im Bereich Verkehrspolitik.
Die Europäische Kommission hat am 28. September juristische Schritte gegen Mitgliedstaaten eingeleitet, die gegen EU-Recht verstoßen. So wird Spanien aufgefordert, sein Natura-2000-Netz zu vervollständigen. Bulgarien, Zypern, Irland, Spanien, Malta, Portugal, die Slowakei und Slowenien müssen ihre Wasserbewirtschaftungspläne überprüfen. Portugal hat die EU-Vorschriften zu kommunalem Abwasser nicht umgesetzt und muss auch bei der Vermeidung von Industrieemissionen nachbessern. Frankreich wiederum hat immer noch nicht alle seine Lärmaktionspläne vorgelegt. Belgien hat Probleme bei der Umsetzung der Nitratrichtlinie und bei der Umwelthaftung. Belgien und Portugal haben außerdem in Sachen Energieeffizienz Post bekommen: Sie haben die EU-Vorschriften zur Beschleunigung der Energiewende durch befristete Ausnahme für bestimmte Wärmepumpen (und die mangels Alternativen erlaubte Verwendung von sechswertigem Chrom) nicht fristgerecht in nationales Recht umgesetzt.
Mangelnder Schutz am Arbeitsplatz: Acrylaldehydwert vierfach höher als EU-Grenzwert
Deutschland hat ein sogenanntes Aufforderungsschreiben – die erste Stufe im Vertragsverletzungsverfahren – bekommen, weil die Regierung es bisher versäumt hat, die Rechtsvorschriften über Arbeitsplatzgrenzwerte für gefährliche Chemikalien mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. Für Acrylaldehyd habe Deutschland einen Grenzwert festgelegt, der viermal höher ist als der EU-Richtgrenzwert. Der deutsche Grenzwert für Schwefeldioxid ist doppelt so hoch wie der von der EU vorgegebene Wert. Deutschland habe „keine angemessene Erklärung“ dafür liefern können, dass die deutschen Grenzwerte höher sind, und nicht begründet, warum das Land nicht die EU-Grenzwerte umsetzt. Die Bundesregierung hat zwei Monate Zeit, um auf das Kommissionsschreiben zu reagieren. Der nächste Schritt wäre eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Schlussendlich kann ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof landen, wenn ein Mitgliedstaat EU-Recht nicht ordnungsgemäß umsetzt.
Transeuropäische Verkehrsnetze und Marktöffnung für Mietfahrzeuge im Güterverkehr
Deutschland soll außerdem die Richtlinie über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-T) korrekt umsetzen. Dabei geht es besonders um klarere, vereinfachte und kürzere Genehmigungs- und Vergabeverfahren – auch grenzüberschreitend. Damit es weniger häufig zu Verzögerungen kommt, sollen nationale Behörden bestimmten Projekten Vorrang einräumen. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um zu antworten. 18 weitere Mitgliedstaaten, nämlich Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei haben die vollständige Umsetzung der Richtlinie ebenfalls nicht fristgerecht bis zum 10. August 2023 mitgeteilt. Umweltverbänden sind beschleunigte Genehmigungsverfahren ohne ausreichende Umweltprüfung häufig ein Dorn im Auge.
20 Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – haben außerdem die Richtlinie (EU) 2022/738 nicht fristgerecht umgesetzt. Darin geht es um „ein Mindestmaß an Marktöffnung für die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr“. [jg]
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