Weg frei für umstrittene Kohlenstoffentnahmen
Das EU-Parlament hat seine Position zur Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen festgelegt. Trotz Fortschritten bei der Trennung von CO2-Entnahmen und Reduktion, bleiben viele offene Fragen. Das sorgt für Kritik von Umweltverbänden.
In der Plenarsitzung in Straßburg am 21. November haben die EU-Abgeordneten die Parlamentsposition zum Zertifizierungsrahmen zur Kohlenstoffentnahme (Union certification framework for carbon removals) mit breiter Mehrheit angenommen. Bereits am Freitag zuvor, am 17. November, haben die EU-Mitgliedstaaten ihre Verhandlungsposition festgelegt. Damit können nun die Trilog-Verhandlungen zu der Verordnung beginnen. Umweltorganisationen blicken besorgt auf das Gesetzesvorhaben, welches die rechtliche Grundlage zur freiwilligen Zertifizierung der Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre schaffen soll.
Fünf Jahre vs. mehrere Jahrhunderte
Bei der Abstimmung votierten 448 Abgeordnete für den Positionstext, der vom Umweltausschuss erarbeitet wurde. 65 Abgeordnete sprachen sich dagegen aus, bei 114 Enthaltungen. Alle eingebrachten Änderungsanträge wurden abgelehnt. Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag sieht die Parlamentsposition eine differenziertere Betrachtung vor. So wird deutlicher zwischen „permanenten Kohlenstoffentnahmen“ durch technische Optionen mit geologischer Lagerung („carbon removals“), landbasierten Methoden, die auch Emissionsminderungen umfassen können („carbon farming“) und der Kohlenstoffspeicherung in Produkten unterschieden. Diese Unterscheidung soll nun auch im Titel abgebildet werden: „Union certification framework for carbon removals, carbon farming and carbon storage in products“.
Permanente Entnahmen sollten demnach dauerhaft bzw. „für mehrere Jahrhunderte“ erfolgen. Die Speicherung durch Aktivitäten des Carbon Farmings soll jedoch lediglich mindestens fünf Jahre umfassen müssen. Solche Praktiken könnten laut Parlamentsposition sowohl Emissionsminderungen, als auch tatsächliche CO2-Bindung umfassen. Zu Carbon Farming könnten nun demnach auch Emissionsminderungen aus landwirtschaftlich genutzten Böden, dem Düngemanagement und der Tierhaltung gezählt werden. Die Kohlenstoffspeicherung in Produkten bezieht sich in der Parlamentsposition vorrangig auf langlebige Holzprodukte oder Baumaterialien, bei denen die Speicherung für „mindestens fünf Jahrzehnte“ gewährleistet sein soll.
Bedenken bleiben akut
Im Kommissionsvorschlag war bislang keine so klare Trennung vorgesehen. Dennoch konnten die Abgeordneten die grundsätzlichen Bedenken von Umweltorganisationen nicht ausräumen. Im Voraus der Abstimmung hatte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne an die EU-Abgeordneten appelliert, sicherzustellen, „dass die Verordnung die eingeschlagenen Wege zur Emissionsreduktion nicht untergräbt oder gar Greenwashing befördert wird.“ Der Kohlenstoff dürfe eben nicht nur kurzfristig „geparkt“ werden. Auch der Schutz der Biodiversität müsse für alle landbasierten Aktivitäten „verbindlich und ambitioniert verankert“ werden. Das diese Anforderungen nun sichergestellt sind, ist zu bezweifeln, da für Carbon Farming-Praktiken nun auch kurze Bindungszeiträume möglich sind und auch risikobehaftete Methoden wie BECCS (Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -Speicherung) nicht ausgeschlossen wurden. Zahlreiche deutsche Umweltverbände weisen seit längerem auf die Schwächen des Gesetzesvorhabens hin.
Für Sophie Scherger, Klima- und Landwirtschaftsreferentin vom Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und Mitglied im Bündnis „Real Zero Europe“, hat das Europäische Parlament einen Schlüsselmoment vergeudet, um die „Integrität und Ambition der europäschen Klimapolitik sichzustellen“. Mit Blick auf die noch im November beginnenden Trilog-Verhandlungen ergänzte Wijnand Stoefs, Politikreferent für Kohlenstoffentnahmen bei Carbon Market Watch (CMW), dass die Verhandlungsführer*innen nun die Verwendung und den Anwendungsbereich in den Fokus nehmen sollten. Andernfalls bestehe ein erhebliches Risiko, dass Kohlenstoffentnahmen oder Carbon Farming-Praktiken, „dazu missbraucht würden, Emissionsreduzierungen hinauszuzögern und schmutzige Industrien grün zu waschen - sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU." [bp]
Pressemitteilung Carbon Market Watch