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Wolf: Mitgliedstaaten mehrheitlich für Aufweichung des Schutzstatus‘
EU-News | 27.09.2024
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik

Wolf: Mitgliedstaaten mehrheitlich für Aufweichung des Schutzstatus‘

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© VIER PFOTEN/Fred Dott

Die EU will die Bestimmungen der Berner Konvention zum Schutz von Wölfen ändern. Darauf haben sich die zuständigen Verhandler*innen im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) am 25. September mit Unterstützung Deutschlands geeinigt. Umweltverbände protestieren: „Schwerer Schlag gegen Wissenschaft und biologische Vielfalt“. 

Am 26. September kam auch die formale Bestätigung des vorbereiteten AStV-Beschlusses durch den Rat für Wettbewerbsfähigkeit. „Diese Änderung öffnet dem Abschuss von Wölfen als Scheinlösung für den Raubbau an Nutztieren Tür und Tor, was Europas Verpflichtung zum Schutz und zur Wiederherstellung der Artenvielfalt zuwiderläuft“, protestierte das Europäische Umweltbüro (EEB) gemeinsam mit BirdLife, ClientEarth und WWF. Der Beschluss im AStV sei gefasst worden, „nachdem Deutschland in letzter Minute unerwartet seine Position von Enthaltung zu Unterstützung geändert hatte“. Nur Spanien und Irland hatten sich gegen die Regelung ausgesprochen, andere hatten sich enthalten.

Damit hätten sich die Mitgliedstaaten auch für „Ignoranz“ entschieden: über 300 Organisationen der Zivilgesellschaft und Hunderttausende von Menschen hatten gefordert, den wissenschaftlichen Empfehlungen zu folgen und die Bemühungen zur Förderung der Koexistenz mit Großraubtieren durch Präventivmaßnahmen zu verstärken.

Den Rat überzeugte der ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag zur Herabstufung des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“. Der Erhaltungszustand des Wolfs habe in den letzten Jahrzehnten einen positiven Trend gezeigt, die Population habe sich auf dem gesamten europäischen Kontinent erfolgreich erholt, von 11.193 Exemplaren im Jahr 2012 auf 20.300 im Jahr 2023. Dies habe sozio-ökonomische Auswirkungen. Nach den jüngsten verfügbaren Daten aus den Mitgliedstaaten töteten Wölfe in der EU jedes Jahr schätzungsweise mindestens 65.500 Stück Vieh. Auch die Herabstufung der Art in den Anhang III der Berner Konvention werde die Wolfspopulation nicht gefährden. Der Umgang mit Wölfen müsse wissenschaftlichen und ökologischen Anforderungen genügen, so der Rat.

Kritik an der Bundesregierung

Pro Wildlife nannte die Entscheidung einen „schwarzen Tag für den Artenschutz“. Der Glaubwürdigkeit Deutschlands und Europas im internationalen Biodiversitätsschutz füge diese Entscheidung „schweren Schaden zu“. Pro Wildlife Sprecherin Daniela Freyer kritisierte: „Die Ansicht der Bundesumweltministerin, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar sei, widerspricht den wissenschaftlichen Fakten, wonach es in sechs von sieben EU-Regionen keine stabilen Wolfsbestände gibt.“ In Deutschland werde laut Ministeriums-Website bislang aufgrund der noch zu geringen Anzahl und Verbreitung der Wölfe deren Erhaltungszustand mit „ungünstig-schlecht“ bewertet.

Der Deutsche Tierschutzbund kritisierte die Entscheidung der deutschen Bundesregierung: „Mehr Abschüsse schützen Weidetiere nicht!“. Die EU schlage nun „genau den falschen Weg“ ein, sinnvolle Herdenschutzmaßnahmen seien der Schlüssel zu einer langfristigen Koexistenz von Weidetieren, Wolf und Mensch, so die Organisation. „Dieses Abstimmungsergebnis enttäuscht zutiefst. Dass mit Steffi Lemke ausgerechnet eine grüne Umweltministerin vor der plumpen und fachlich haltlosen Panikmache konservativer Lobbygruppen einknickt und dem Töten als vermeintlichen Lösungsansatz den Weg ebnet, macht besonders fassungslos“, kommentierte James Brückner, Leiter des Fachreferats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Inmitten der globalen Biodiversitätskrise sei die Rückkehr des Wolfes ein großer Erfolg für den Artenschutz, für den der hohe Schutzstatus maßgeblich verantwortlich war. Es sei „ein Armutszeugnis“, nun das Rad zurückzudrehen, weil begleitende Managementmaßnahmen zum Schutz von Weidetieren vernachlässigt wurden. 

Der Vorsitzende vom Landesbund für Vogelschutz (LBV), Norbert Schäffer, betonte: „Der Wolf ist da und bleibt – dieser Fakt kann nicht wegdiskutiert werden. Herdenschutzmaßnahmen wie geeignete Zäune sind das wichtigste Instrument im Umgang mit dem Wolf. Im Einzelfall kann auch ein Abschuss eines sich problematisch verhaltenden Wolfes nötig sein. Das haben wir schon immer betont. Ich hoffe, dass den Weidetierhaltern in der nun folgenden Diskussion nicht wie in der Vergangenheit schon wieder Sand in die Augen gestreut wird, mit Abschüssen allein sei der Umgang mit dem Wolf zu meistern. Dies ist schlicht falsch und wiegt die Weidetierhalter nur in falscher Sicherheit, die am Ende keinem nützt.“ Derweil geht der Streit zwischen der bayrischen Landesregierung und dem Bund Naturschutz um die bayrischen Regelungen weiter (dpa-Europaticker).

Nächste Schritte 

Die EU-Kommission wird den Vorschlag nun dem Sekretariat der Berner Konvention vorlegen. Da diese eine internationale Vereinbarung ist, die von der EU nicht im Alleingang geändert werden kann, muss die Änderung der Berner Konvention von zwei Dritteln der Vertragsparteien erst angenommen werden, dann würden die Änderungen an den Anhängen drei Monate nach ihrer Annahme in Kraft treten. Die Änderung des Schutzniveaus wäre in der EU aber nicht sofort anwendbar. Sind die Änderungen der Anhänge der Berner Konvention in Kraft getreten, kann die EU die entsprechenden Anhänge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – das ist das EU-Gesetz zur Umsetzung der Berner Konvention – ändern, um das Schutzniveau für Wölfe in ihrer internen Rechtsordnung anzupassen. [jg]

Rat: Bern Convention: EU will propose changing the conservation status of wolves

Euractiv: EU-Staaten unterstützen Herabsetzung des Schutzstatus von Wölfen 

EEB et al.: Europe weakens wolf protection – Major blow to science and biodiversity 

Pro Wildlife: [...] Pro Wildlife kritisiert Zustimmung Deutschlands zur Schwächung des Wolfs-Schutzes in Europa

Deutscher Tierschutzbund: EU-Länder wollen Schutzstatus des Wolfs senken […] 

LBV: Koexistenz von Wolf und Weidewirtschaft nur durch sinnvolle Schutzmaßnahmen möglich

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