Wolfsabschuss: EuGH stärkt Artenschutz
Am 10. Juli hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen im Sinne der gegen eine Tiroler Wolfsabschussgenehmigung klagenden Umweltverbände entschieden. Demnach müsse vorab geprüft werden, dass keine Gefährdung der Population vorliegt und ob es mildere Maßnahmen als den Abschuss gibt.
Der WWF Österreich, das österreichische ÖKOBÜRO, der Naturschutzbund Österreich, der dortige Umweltdachverband und der Wiener Tierschutzverein hatten gegen die Tiroler Landesregierung geklagt. Diese hatte eine „befristete Ausnahme vom Verbot der Bejagung eines wildlebenden Exemplars der Art canis lupus (Wolf)“ gewährt.
Aus Sicht des EuGH müssten die EU-Regeln so ausgelegt werden, dass Ausnahmen nur dann den Bedingungen entsprechen, „wenn vorab festgestellt worden ist, dass diese Populationen trotz dieser Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung auf der Ebene des lokalen Gebiets und des nationalen Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“. Zudem seien die zuständigen nationalen Behörden bei der Feststellung, ob eine „anderweitige zufriedenstellende Lösung“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, verpflichtet, „auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse die denkbaren anderweitigen Lösungen zu beurteilen, […] und sie gegen das allgemeine Ziel der Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Tierart abzuwägen“. Wirtschaftliche Gründe allein seien nicht ausreichend.
Die Umweltschutzorganisationen WWF Österreich und ÖKOBÜRO bewerteten das Urteil zur Auslegung der FFH-Richtlinie als Stärkung des Artenschutzes. „Das ist eine wichtige Klarstellung: Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf gehen gelindere Mittel wie der Herdenschutz vor. Der Abschuss darf nur das letzte Mittel sein”, erklärte WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler. Laut EuGH seien die Umweltprüfungen in Österreich unzureichend und damit viele Abschüsse rechtswidrig. WWF und Ökobüro forderten daher, umgehend mit einer Herdenschutz-Offensive zu beginnen und die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. „In vielen Bundesländern werden derzeit weder Einzelfallprüfungen noch ordnungsgemäße Alternativenprüfungen durchgeführt”, kritisierte Gregor Schamschula, Umweltjurist vom ÖKOBÜRO. Auch der Erhaltungszustand sei nicht ausreichend bekannt, weil es kein flächendeckendes Monitoring gebe. Statt auf aktive Erfassungen der Wolfsvorkommen werde auf Zufallsnachweise gesetzt. „Dieses Vorgehen ist laut EuGH klar rechtswidrig und muss umgehend gestoppt werden”, so Schamschula.
Bei einem Vorabentscheidungsverfahren entscheidet der EuGH rechtsverbindlich für alle Mitgliedstaaten über die Auslegung von Unionsrecht – hier über die Auslegung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Die Ergebnisse des Vorabentscheidungsverfahrens müssen in sämtlichen anderen, ähnlich gelagerten Entscheidungen und Verfahren in den übrigen EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Das dürfte nicht nur für Österreich, sondern auch die anderen EU-Mitgliedstaaten interessant sein, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Wolf, sondern auch auf andere streng geschützte Tierarten wie Bär, Luchs oder Fischotter. [jg]
EuGH-Seite mit Dokumenten zum Fall
WWF/ÖKOBÜRO: Europäischer Gerichtshof stärkt den Artenschutz gegen österreichische Praxis