Zitterpartie um EU-Renaturierungsgesetz
Die Verhandlungen zum EU-Renaturierungsgesetz gehen weiter. Die Ablehnung des Verordnungsvorschlags erhält im Umweltausschuss des EU-Parlaments keine Mehrheit. Die Abstimmungen werden am 27. Juni fortgesetzt.
Mit Spannung erwartet wurde die Abstimmung zur EU-Verordnung für die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL) im Umweltausschuss des EU-Parlaments. In der Sitzung am 15. Juni lehnten die Ausschussmitglieder mit knapper Mehrheit einen Antrag zur Zurückweisung des Renaturierungsgesetzes ab. Eingebracht wurde die grundsätzliche Ablehnung des Vorhabens von der Europäischen Volkspartei (EVP), die bereits in den Wochen zuvor ihre Missbilligung des NRL zum Ausdruck brachte und auch in den Ausschüssen für Agrar und Fischerei dagegen stimmte.
Sehr knappe Abstimmung
Mit 44 zu 44 Stimmen fiel die Entscheidung im federführenden Umweltausschuss denkbar knapp aus. Unterstützt wurde die Forderung der Konservativen nach Ablehnung von Rechtspopulisten und Rechtsextremen im Umweltausschuss. Für das Renaturierungsgesetz sprachen sich die Abgeordneten der Sozialdemokraten, der Grünen und der Linken aus. Die liberale Fraktion zeigte sich weiter gespalten, obwohl sich der liberale Vorsitzende des Ausschusses Pascal Canfin im Vorfeld der Abstimmung klar für das NRL einsetzte.
Vertagt wegen Abstimmungsmarathon
Nachdem der ablehnende Antrag der EVP keine Mehrheit fand, folgte ein Abstimmungsmarathon zu Hunderten eingebrachten Änderungsanträgen. Da dieser auch nach über drei Stunden nicht beendet werden konnte, wurden die weiteren Entscheidungen auf die nächste Sitzung des Umweltausschusses am 27. Juni vertagt. Damit gehen die intensiven Verhandlungen zum EU-Renaturierungsgesetz in die nächste Runde. Da in den Änderungsanträgen einige Abschwächungen des Verordnungsentwurfs angenommen wurden und die Mehrheit gegen die Ablehnung eng ausfiel, ist auch bei den weiteren Prozessen mit sehr knappen Mehrheitsverhältnissen und einer möglichen Verwässerung zu rechnen.
Etappensieg mit Abstrichen
Umweltorganisationen äußerten sich erleichtert, verwiesen aber auch auf die Abschwächungen des Gesetzestextes. „Eine hauchdünne Mehrheit der EU-Abgeordneten hat heute den Versuch abgewendet, das ‚Nature Restoration Law‘ zu kippen“, kommentierte DNR-Geschaftsführer Florian Schöne. Die Hälfte der Ausschussmitglieder habe „der Desinformation und dem massiven Druck konservativer Kreise standgehalten und ein wichtiges Bekenntnis für die natürlichen Lebensgrundlagen in Europa abgelegt“, so Schöne weiter. Ebenfalls mit Blick auf die EVP kritisierte Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Diese katastrophale Blockade muss beendet werden und das EU-Renaturierungsgesetz muss kommen.“ Der BUND bezeichnete die Situation als „unwürdige Hängepartie“. Und Konstantin Kreiser, NABU-Fachbereichsleiter für Naturschutzpolitik, erkannte im Ergebnis „einen ersten kleinen Zwischensieg“. Mit Blick auf das Abstimmungsverhalten konstatierte er jedoch: „Mehrheiten für den ohnehin bereits verwässerten Kompromisstext fanden sich jedoch ebenfalls kaum“.
Breite Unterstützung im Vorfeld
Nochmals sehr deutlichen Zuspruch erhielt das EU-Renaturierungsgesetz im Vorfeld der Abstimmung aus Wissenschaft, von Umweltorganisationen, aus der Wirtschaft und von Bürgerinnen und Bürgern. Teils sehr unterschiedliche Akteure setzten sich ein: Ein Bündnis aus über 90 führenden Unternehmen ebenso wie Branchenverbände der Erneuerbaren Energien und der Europäische Jagdverband. Mit klaren Worten brachten über 3.000 Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief ihre Sorge über die Blockade des NRL zum Ausdruck und wiesen auf ungerechtfertigte Argumentationen und Falschdarstellungen der Gegner*innen des Vorhabens hin.
Apelle, Briefe und Petition
In einem gemeinsamen offenen Brief appellierten die Umweltorganisationen WWF, DNR, BUND, DUH, NABU und BBN an die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments das Renaturierungsgesetz zu unterstützen. In einem weiteren offenen Brief, initiiert vom Greifswald Moor Centrum und Wetlands International, machten sich zahlreiche Organisationen für ehrgeizige Ziele in Bezug auf Moore im NRL stark. An der Online-Aktion unter dem Hashtag #RestoreNature nahmen inzwischen über 800.000 Bürger*innen teil. Unterstützt wird die #RestoreNature-Kampagne von über 200 Organisationen aus ganz Europa.
Nächste Etappe: Umweltrat am 20.Juni
Bevor die Mitglieder des Umweltausschusses am 27. Juni erneut über das NRL beraten, richtet sich der Blick nun auf die Sitzung des Umweltrates am 20. Juni. Denn auch dort steht das Renaturierungsgesetz auf der Tagesordnung. [bp]
Blogbeitrag NABU: EU-Renaturierungsgesetz: Spitz auf Knopf vor wichtiger Abstimmung