#saveoder – Rettet die Oder
Wir schreiben das Jahr 2021. In ganz Mitteleuropa sind alle großen Flüsse ausgebaut und begradigt. Wirklich alle großen Flüsse? Nein, ein paar wenige Ströme konnten den Ausbaubestrebungen der Schifffahrtslobby widerstehen. Doch jetzt droht, dass sich die Fehler der Vergangenheit an Donau, Elbe, Weichsel und Oder wiederholen. Insbesondere an der Oder setzen sich die deutschen Umwelt-verbände massiv dafür ein, den naturnahen Fluss zu erhalten.
Die Oder ist ein über 500 Kilometer langer frei fließender naturnaher großer Fluss und hat damit eine herausragende Stellung als Mitteleuropäische Flusslandschaft. Zwar wird die Oder von Koźle in Polen seit preußischer Zeit durch eine Kette von Staustufen für die Binnenschifffahrt reguliert. Die letzte Staustufe wurde 2018 nahe Wrocław (Breslau) fertiggestellt. Aber von dort bis zur Mündung in die Ostsee ist die Oder barrierefrei und naturnah. Über 160 Kilometer bildet sie die deutsch-polnische Grenze.
Grenzfluss wird von Schifffahrtslobby und Naturschutz wiederentdeckt
Aufgrund der Grenzlage konnte sich die Flusslandschaft zu einer der ökologisch wertvollsten entwickeln. Der Naturschutz hat sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor allem in den südlichsten und nördlichsten Bereichen des Odereinzugsgebiets auf die Sicherung großflächiger und hochwertiger Schutzgebiete konzentriert, wie im unteren Odertal. Parallel dazu wurden aber auch Pläne zur Wiederbelebung der Oder für Schifffahrtszwecke wie das polnische Ausbauprogramm ODRA 2005 entwickelt.
Durch die Jahrhundertflut 1997 fand ein vermeintliches Umdenken statt. Den Flüssen sollte wieder mehr Raum gegeben werden. Das Ausbauprogramm ODRA 2005 wurde modifiziert und Hochwasserschutzaspekte kamen hinzu. Im Kern wurden aber lediglich Deiche erhöht. Nur das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Deichrückverlegungsprojekt Domaszków – Tarchalice in Polen unter WWF-Regie ragt hier heraus. Hingegen wurde auf deutscher Seite der Hafen Schwedt gebaut und darauf hingewirkt, dass mit der Klützer Querfahrt ein Oderarm in Polen ausgebaut werden soll. Damit wird die Schwedter Papierindustrie mit Küstenmotorschiffen über Stettin an die Ostsee angebunden. Im Gegenzug forderte Polen den Ausbau der Grenzoder.
Oderausbau vorgeblich für den Hochwasserschutz
Da ein Ausbau für die Binnenschifffahrt sich aufgrund des niedrigen Güteraufkommens nicht rechtfertigen lässt, wurde folgendes Hochwasserschutzargument konstruiert: Die Oder friert hin und wieder im Winter zu. Eisschollen können sich verkanten und eine Barriere bilden, hinter der sich das Wasser staut. So kann ein Hochwasser entstehen. Um dem vorzubeugen, wurde eine deutsch-polnische Eisbrecherflotte aufgebaut. Die polnische Seite argumentiert, dass die Eisbrecher einen großen Tiefgang haben und deswegen die Grenzoder mit größeren Buhnen auf eine höhere Wasserstraßenklasse ausgebaut werden muss. Das diene nebenbei auch der Binnenschifffahrt. Obwohl die deutsche Seite neue flachgehende Eisbrecher für Oder entwickelt hat, wurde 2015 ein deutsch-polnisches Wasserstraßenabkommen unterzeichnet, das den Ausbau der Oder und die Anbindung von Schwedt an die Ostsee vorsieht.
Polen führte dazu eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung durch. Die fachliche Einwendung der deutschen und polnischen Umweltverbände blieb unberücksichtigt. Deshalb legten die Verbände im „Aktionsbündnis lebendige Oder“ – eine Allianz zehn deutscher Umweltorganisationen unter dem Dach des DNR – Widerspruch bei der obersten Umweltschutzbehörde in Polen ein. Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt den Verbänden nur der Gang vor ein polnisches Verwaltungsgericht. Das wird sich in den nächsten Wochen klären.
Aber auch die deutsche Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung möchte die Grenzoder gemäß dem Abkommen von 2015 regulieren. Die Beteiligung zur Festlegung des Untersuchungsrahmens für eine strategische Umweltprüfung fand bereits statt. Für uns Verbände irritierend ist die Ansicht der deutschen Wasserstraßenverwaltung, dass es sich bei der Regulierung des Oderstroms vorgeblich um eine Unterhaltung und nicht um einen Ausbau handeln soll. Natürlich lehnen wir diese Argumentation ab und schlagen die Prüfung von Alternativen vor – etwa mehr Raum für den Fluss oder den Einsatz amphibischer Eisbrecher aus Kanada.
Als ob diese Vorhaben nicht schon aus der Zeit gefallen wären, planen Polen und Tschechien eine Staustufenkette und den Bau des Donau-Oder-Elbe-Kanals, um Ostsee und Schwarzes Meer für große Binnenschiffe zu verbinden. Dagegen bedarf es großer Kraftanstrengungen aller, damit sich die beim Rhein-Main-Donau-Kanal gemachten Fehler nicht wiederholen. Wir Verbände haben deshalb ein internationales Bündnis gegründet. Unter deutsch-tschechisch-polnischer Beteiligung war das Bündnis „Zeit für die Oder“ bereits in den 2000er-Jahren aktiv und wird gerade wieder etabliert.
Der Autor
Sascha Maier ist Mitarbeiter bei Rewilding Oder Delta und koordiniert das Aktionsbündnis lebendige Oder.