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Renaturierung: Chance des Jahrzehnts für Biodiversitäts- und Klimaschutz
News | 01.12.2021
#EU-Umweltpolitik #Biodiversität und Naturschutz

Renaturierung: Chance des Jahrzehnts für Biodiversitäts- und Klimaschutz

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© pixabay/photoshopper24

Das geplante EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist eine riesige Chance für Natur- und Klimaschutz und somit für den Schutz menschlicher Gesundheit und des Lebens. Diese Chance muss mit angemessenen Zielen für das Ausmaß der Krise, Synergieeffekten für Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung, sowie zeitnahen Maßnahmen genutzt werden.

Das Artensterben sowie die globale Erhitzung sind die entscheidenden Krisen unserer Zeit – mit immensen Folgen für das menschliche Wohlbefinden und unser aller Gesundheit. Aufgrund bisher unzureichender Maßnahmen zur Bekämpfung der grundlegenden Ursachen wird das Ausmaß negativer Ereignisse größer, die drastischen Folgen rücken immer näher (oder sind bereits da) und die Zeit zur Bewältigung schrumpft immer mehr zusammen.

Die tiefsitzende Verknüpfung der beiden Krisen kann Dominoeffekte auslösen und somit zu unumkehrbaren Kipppunkten führen. Auf der anderen Seite bietet sie aber auch Möglichkeiten für Synergien. Die Wiederherstellung zentraler Ökosysteme für Klima und Natur kann eine solche synergetische Win-Win-Lösung sein, die vielfältige Vorteile für die biologische Vielfalt, den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel sowie die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen bietet.

Ein gemeinsamer Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) und des Weltklimarates (IPCC) aus diesem Sommer bestätigt die Bedeutung von Synergielösungen für die Biodiversitäts- und Klimakrise. Der Bericht betont, dass bestehende Maßnahmen zum Naturschutz nicht ausreichend waren, um die Biodiversitätskrise zu adressieren. Daher ist die Umkehrung des Verlusts und der Verschlechterung von kohlenstoff- und biodiversitätsreichen Ökosystemen an Land und im Meer von größter Bedeutung für die biologische Vielfalt, den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass Renaturierung „among the cheapest and [most] rapidly implemented nature-based climate mitigation measures” (also kostengünstig und schnell umsetzbar) ist, und verweist auf die vielfältigen Ökosystemleistungen, die sie für die Menschen erbringen kann, darunter Bestäubung, Hochwasserschutz und Verbesserungen der Wasserqualität.

„Dieser Gesetzesvorschlag ist nun in den letzten Zügen der Vorbereitung – doch leider scheint es der Kommission an mancher Stelle noch an Ambition zu mangeln. Der Vorschlag ist inzwischen für Anfang 2022 geplant, was der Kommission noch Zeit für zentrale Verbesserungen gibt.”
Laura Hildt, EEB

Das geplante EU-Renaturierungsgesetz, das neue EU Nature Restoration Law, bietet eine enorme Chance, genau diese Synergieeffekte herbeizuführen. Diese Chance muss nun auch durch ein angemessenes und robustes Gesetz genutzt werden. Die Verpflichtung zu dem Gesetz stammt aus der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, in welcher die Europäische Kommission versprach, im Jahr 2021 – vorbehaltlich einer Folgenabschätzung – einen Vorschlag für rechtsverbindliche EU-Ziele für die Wiederherstellung der Natur vorzulegen, um geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Und zwar insbesondere jene, die das größte Potenzial für die Abscheidung und Speicherung von CO2 sowie für die Verhinderung und Eindämmung der Auswirkungen von Naturkatastrophen aufweisen. Dieser Gesetzesvorschlag ist nun in den letzten Zügen der Vorbereitung – doch leider scheint es der Kommission an mancher Stelle noch an Ambition zu mangeln. Der Vorschlag ist inzwischen für Anfang 2022 geplant, was der Kommission noch Zeit für zentrale Verbesserungen gibt.

Drei zentrale Elemente sind:

  • Ein übergeordnetes flächenbasiertes Ziel, mindestens 15 Prozent der EU-Land- und -Meeresflächen sowie der Flusskilometer zu renaturieren, welches proportional auf nationaler Ebene anwendbar sein muss, fehlt bisher. Solch ein Ziel ist jedoch nötig, damit von Beginn an klar ist, wie viel Fläche in jedem Mitgliedstaat renaturiert werden muss, um lange Definitionsprozesse zu vermeiden und um es einfach zu machen, die Mitgliedstaaten zur Rechenschaft zu ziehen.
  • Ebenso scheinen manche der vorgeschlagenen Ziele aktuell nicht ausreichend über die bestehenden EU-Naturschutzverpflichtungen hinauszugehen. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie beinhaltet bereits Verpflichtungen zur Renaturierung von Lebensräumen, wo dies für den guten Erhaltungszustand nötig ist. Diese Verpflichtungen müssen bereits seit knapp 30 Jahren umgesetzt und durchgesetzt werden und alle Verpflichtungen des neuen Gesetzes müssen explizit über diese bestehenden hinausgehen.
  • Aktuell sieht die Kommission ein Ziel für die Renaturierung von Flüssen erst in einem zweiten Schritt des Gesetzes – dessen Veröffentlichungszeitpunkt und Vorgehen noch sehr unklar sind – vor, und das obwohl die Biodiversitätsstrategie bereits ein Ziel für 2030 enthält, nämlich 25.000 Flusskilometer in freifließende Flüsse umzuwandeln. Als Mindestanforderung muss dieses Ziel bereits jetzt in das neue Gesetz integriert werden, um ihm so gesetzliche Durchsetzungskraft zu geben – mit einem Ausblick, das Ziel auf 15 Prozent der Flusskilometer zu erhöhen.
„Das Gesetz ist die Möglichkeit des Jahrzehnts, ein solides Gesetz für Natur- und Klimaschutz, das zu echten Verbesserungen in zentralen Lebensräumen führt und einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Biodiversitäts- und Klimakrise leistet, zu verabschieden.”
Laura Hildt, EEB

Das Gesetz ist die Möglichkeit des Jahrzehnts, ein solides Gesetz für Natur- und Klimaschutz, das zu echten Verbesserungen in zentralen Lebensräumen führt und einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Biodiversitäts- und Klimakrise leistet, zu verabschieden. Ein starker Gesetzesentwurf würde der EU zudem Glaubwürdigkeit für die selbst ernannte globale Führungsrolle beim Vertragsstaatentreffen der UN-Übereinkommen für biologische Vielfalt (CBD COP15) verleihen und zeigen, dass Europa die wissenschaftlichen Erkenntnisse verstanden hat. Die Kommission muss demnach einen Aufschlag machen, der dieser Möglichkeit und der Verantwortung gerecht wird. Dafür muss noch an dem übergeordneten Ambitionsniveau nachgebessert werden, um sicherzustellen, dass das Gesetz bis 2030 die nötigen Veränderungen herbeiführt und den benötigten wegweisenden Effekt für Klima und Natur bringt.

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Die Autorin

Laura Hildt ist Referentin für Biodiversität im Europäischen Umweltbüro (European Environmental Bureau, EEB) in Brüssel. Der europäische Dachverband vertritt über 160 Mitgliedsorganisationen in ganz Europa.

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