Die Wälder in Europa und Deutschland sind "klimaanfällig"
Der Klimawandel hat mehr als die Hälfte der Wälder Europas anfälliger für Gefahren wie Brände, Insektenbefall, Windwurf oder eine Kombination dieser drei Faktoren gemacht, so eine neue Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der EU-Kommission. Auch der deutsche Waldzustandsbericht, den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Mittwoch vorstellte, zieht eine düstere Bilanz. Noch nie waren so viele Bäume geschädigt wie 2020.
JRC: Europas Wälder sind anfällig gegenüber Klimagefahren
Vermehrte Waldbrände, Stürme und Schädlingsbefall schwächen die Gesundheit der Wälder. Mehr als 60 Prozent der Biomasse in den Wäldern seien diesen Risiken ausgesetzt, was insgesamt mehr als 33 Milliarden Tonnen entspreche, so die Ergebnisse der JRC-Studie. Dies bedeute auch eine wachsende Unsicherheit, was die zukünftige Rolle der Wälder für die Holzversorgung oder die Kohlenstoffspeicherung angeht. Die Studie definiert "Anfälligkeit" als den Anteil der Biomasse, der potentiell verloren geht, wenn ein Waldökosystem von einer natürlichen Störung betroffen ist. Einbezogen in die verwendete Methode (maschineller Lernansatz) wurden Satellitendaten von 1979 bis 2018, Klimadaten und Datenbanken über Waldstörungen. Die Quantifizierung der Anfälligkeit von Wäldern gegenüber natürlichen Störungen und das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen seien entscheidend für die Entwicklung effektiver Minderungs- und Anpassungsstrategien, so die JRC-Studie. Bislang habe es jedoch an Beobachtungsdaten zur Anfälligkeit von Wäldern auf regionaler und kontinentaler Ebene gefehlt. Die Studie wolle hier eine Lücke schließen.
Bereits im Januar hatte der Europäische Waldzustandsbericht (SoEF) gezeigt, dass die Qualität der europäischen Wälder durch Fragmentierung, Klimaschäden, Extremwetterereignisse sowie Insektenbefall abgenommen hat, auch wenn die Fläche wieder gewachsen ist (EU-News 21.01.2021).
Noch bis zum 19. April läuft die öffentliche Konsultation ("Wälder - neue EU-Strategie") zur neuen EU-Forststrategie der EU-Kommission.
Deutscher Waldzustandsbericht 2020: "Wälder massiv geschädigt"
Die für Wälder zuständige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat am Mittwoch die Waldzustandserhebung 2020 vorgestellt. Mit dem Ergebnis: "Die vergangenen drei Dürrejahre, der massive Borkenkäferbefall, Stürme und vermehrte Waldbrände haben in den Wäldern langfristig massive Schäden angerichtet. Die jetzigen Ergebnisse gehören zu den schlechtesten seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984, die meisten Bäumen haben lichte Kronen."
Noch nie seien so viele Bäume der Erhebung abgestorben gewesen. Vier von fünf Bäumen hätten lichte Kronen: 79 Prozent der Fichten, 80 Prozent der Kiefern, 80 Prozent der Eichen und sogar 89 Prozent der Buchen. Insgesamt wiesen 37 Prozent aller Bäume deutliche Verlichtungen auf, haben also mindestens ein Viertel ihrer Blätter oder Nadeln vorzeitig verloren.Vor allem die älteren Bäume über 60 Jahre seien betroffen, aber auch jüngere zeigten Stresserscheinungen. Die Absterberaten steigen rasant, auch bei nicht untersuchten Nadel- und Laubbaumarten.
Laut Schadensbilanz der letzten drei Jahre lag bis Ende 2020 die wieder zu bewaldende Fläche bei 277.000 Hektar, 8.000 Hektar waren in den Monaten zuvor bereits aufgeforstet worden. Beim Schadholz betrage die Gesamtmenge nach aktuellem Stand 171 Millionen Kubikmeter. Um beim Wiederaufforsten und dem Waldumbau zu helfen, stelle die Bundesregierung 1,5 Milliarden Euro aus unterschiedlichen Töpfen zur Verfügung.
Angesichts der alarmierender Zahlen des Waldzustandsberichts warnte der BUND vor einem "neuen Waldsterben". Der Wald sei durch Stickstoffeinträge, Dürre, intensive Forstwirtschaft sowie mangelhafte Jagd nach wie vor im Dauerstress, mahnte Jörg Nitsch, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wald. "Nur ein kleiner Teil der Waldbäume ist noch gesund. Die allermeisten Bäume zeigen Auflichtungen im Kronenbereich oder sterben sogar ab." Die Bundesregierung müsse endlich wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergreifen und gleichzeitig Schadstoffemissionen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft massiv reduzieren, so der BUND. [jg]
JRC-Pressemitteilung zur Studie und ausführlicher Artikel zur Studie im Fachjournal nature communications: Emergent vulnerability to climate-driven disturbances in European forests
BMEL-Pressemitteilung: Klöckner: Der Waldzustand besorgt mich!
Artikel EurActiv: Klöckner: "Unsere Wälder sind krank"
3-Min.-Video des SWR: Der deutsche Wald ist am Abgrund
Waldexpertise im DNR-Newsletter
Die neue Ausgabe im März beleuchtet das Thema "Wald". Lesen Sie unter anderem ein Interview mit Universitätsprofessor Dr. Pierre Ibisch, einen Artikel von László Maráz vom Forum Umwelt und Entwicklung sowie einen Beitrag über die letzten europäischen Urwälder von Jana Ballenthien (Robin Wood). Der Newsletter erscheint Anfang März, zum Abo gelangen Sie hier.
LULUCF - Wald und Klimaschutz
Der Klimaökonom Felix Matthes vom Öko-Institut hat für den Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) eine Kurzanalyse erarbeitet, wie die Senkenleistung von Wäldern und Landflächen in Deutschland seit 1990 gemessen und bewertet wurde. Weiterlesen