LIFE-Programm, EU- und globale Biodiversitätspolitik
Investitionen von 5,4 Milliarden Euro in Klima- und Umweltprojekte sind im neuen EU-Naturschutzförderprogramm LIFE vorgesehen, das das EU-Parlament letzte Woche gebilligt hat. Ab dem 3. Mai finden wichtige Vorbereitungen für das 15. Vertragsstaatentreffen (COP15) der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) statt: die Online-Verhandlungen des wissenschaftlich-technisch-technologischen Beirats (SBSTTA). Die CBD COP 15 soll vom 14. bis 21. Oktober im chinesischen Kunming abgehalten werden, sofern die Pandemielage dies zulässt.
LIFE soll Artenschwund auf EU-Ebene aufhalten helfen und Wirtschaftswandel unterstützen
Das EU-Parlament hat am 29. April "das bisher ehrgeizigste Klima- und Umweltprogramm der EU" formal gebilligt. Das LIFE-Programm umfasst die Jahre 2021-2027 und soll Investitionen von 5,4 Milliarden Euro in Klima- und Umweltprojekte möglich machen. Damit kann LIFE rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Im Dezember hatten Rat und Parlament bereits eine informelle Einigung im sogenannten Trilogverfahren mit der EU-Kommission erreicht (EU-News 18.12.2020).
Eines der Hauptanliegen des neuen LIFE-Programms ist der Artenschutz, beziehungsweise den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen und umzukehren. Aber auch die Emissionsreduktion der Wirtschaft soll vorangetrieben werden. Das EU-Programm soll den "notwendigen Wandel hin zu einer sauberen, kreislauforientierten, energieeffizienten, CO2-armen und klimaresistenten Wirtschaft" vollziehen. 3,5 Milliarden Euro sind für Umweltaktivitäten und 1,9 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen. Damit trägt LIFE dazu bei, dass ab 2024 7,5 Prozent und in den Jahren 2026 und 2027 10 Prozent des jährlichen EU-Haushalts für Biodiversitätsziele ausgegeben werden.
Projekte, die klare grenzüberschreitende europäische Interessen und einen Vorbildcharakter haben ("das höchste Replikationspotenzial" aufweisen oder vom öffentlichen oder privaten Sektor übernommen werden können) sowie zusätzliche Investitionen mobilisieren können, sollen vorrangig gefördert werden. LIFE soll auch die Nutzung eines umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffungswesens fördern. Darüber hinaus werde die EU-Kommission das Mainstreaming von Klima- und Biodiversitätszielen überprüfen und darüber Bericht erstatten, einschließlich der Verfolgung der Ausgaben.
EU-Biodiversitätsstrategie: Ende Mai im Umweltausschuss, im Juni im Plenum
Am 26. und 27. Mai wird der Umweltausschuss im EU-Parlament (ENVI) über die EU-Biodiversitätsstrategie abstimmen. Die Abstimmung wurde mehrmals verschoben, unter anderem weil 1.215 Änderungsanträge zum Berichtsentwurf des Berichterstatters Cesar Luena (Spanien, S&D) unter den Schattenberichterstatter*innen kompromissfähig gemacht werden mussten. Die Abstimmung im Plenum ist für Juni vorgesehen. Umweltverbände fordern unter anderem die Durchsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien, die Wiederherstellung von Lebensräumen und Naturräumen nach rechtsverbindlichen Kriterien, ein Ende umweltschädlicher Subventionen und den Schutz der Wälder.
EU-Kommission will EU-Forststrategie im Juni vorlegen
Ebenfalls im Juni, voraussichtlich am 16., plant die EU-Kommission, ihre Strategie "Wälder – neue EU-Strategie" vorzulegen. Eine öffentliche Konsultation dazu endete im April mit 312 Rückmeldungen. In Bezug auf die Verpflichtung in der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, alle verbleibenden Primär- und Altwälder in der EU zu definieren, zu kartieren, zu überwachen und streng zu schützen, hatte das Gemeinsame Forschungszentrum (JRC) im April einen Bericht über Primär- und Altwälder veröffentlicht. Demnach sind etwa 4,9 Millionen Hektar der EU-Wälder "primär" oder "alt", also Wälder, die einer natürlichen Dynamik folgen, in ihrem ursprünglichen Zustand existieren und von menschlichen Eingriffen weitgehend unberührt sind. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten bewaldeten Fläche der EU und 1,2 Prozent der Landfläche der EU. Der strenge Schutz dieser Wälder ist aus Sicht der Umweltverbände mitentscheidend für den Schutz der biologischen Vielfalt sowie für den Klimaschutz und die Klimaanpassung.
Neuer Anlauf für mehr Biodiversitätsschutz weltweit: Online-Vorverhandlungen starten
Die 24. Konferenz des wissenschaftlich-technisch-technologischen Beirats (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice - SBSTTA) wurde mehrfach verschoben und findet nun digital zwischen dem 3. Mai und dem 7. Juni statt. Auf der Tagesordnung stehen alle auch für die UN-Konferenz im Oktober wichtigen Themen: globaler Biodiversitätsschutzrahmen nach 2020, synthetische Biologie, Risikobewertung und -management gentechnisch veränderter Organismen, Meeres- und Küstenzonenbiodiversität, Biodiversität und Landwirtschaft, Ökosystemdienstleistungen, Gesundheitsfragen und invasive Arten. Das Earth Negotiations Bulletin des International Institute for Sustainable Development (IISD) übernimmt die regelmäßige Berichterstattung.
Die Schweizer Organisation Pro Natura nimmt zusammen mit ihrem Netzwerk Friends of the Earth International an den Verhandlungen teil und will sich für ein wirksames, ambitioniertes und faires Abkommen engagieren, das den Verlust der Biodiversität bis 2030 stoppt. Denn die bisherige Bilanz der weltweiten Bemühungen um den Erhalt der biologischen Vielfalt fällt ernüchternd aus. Keines der bisherigen internationalen Biodiversitätsziele (so genannten "Aichi-Ziele") ist erreicht worden. Aber auch der "nullte Entwurf" (Zero Draft) für die UN-Konferenz bot vor allem Nichtregierungsorganisationen bisher hauptsächlich Anlass für Kritik.
Pro Natura erklärte: "Der aktuelle Entwurf des neuen globalen Biodiversitätsvertrags liegt derzeit noch deutlich hinter den bestehenden Aichi-Zielen zurück, und berücksichtigt auch wichtige Aspekte der Biodiversitätskonvention nicht." Wirtschaft, Handel und Konsum müssten gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Es brauche rechtlich verbindliche Spielregeln, dass wirtschaftliche Aktivitäten nicht zulasten von Umwelt und Menschenrechten gehen. Zurzeit adressiere der Entwurf des neuen globalen Biodiversitätsrahmenwerks nur die Konsument*innen. "Das reicht jedoch ebenso wenig wie rein freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen", so Pro Natura.
"Schädliche Subventionen zum Wohle des Planeten umlenken"
Elizabeth Maruma Mrema, amtierende Exekutivsekretärin der UN-Konvention über die biologische Vielfalt, hat derweil laut Medienberichten die Regierungen aufgefordert, die zerstörerische Unterstützung für Fischerei, Landwirtschaft und andere Industrien zu überprüfen. Laut Guardian/EurActiv sollten nach Meinung von Mrema die Milliardensummen staatlicher Subventionen zugunsten der Natur umgelenkt werden. Stattdessen müssten sie eine Politik unterstützen, die die menschlichen Bedürfnisse befriedigt und gleichzeitig die Gesundheit des Planeten bewahrt.
Auch auf anderen Ebenen laufen Vorbereitungen für die CBD COP 15, so der 8. EU-China-Dialog zur Umweltpolitik in der vergangenen Woche (EU-News 29.04.2021). [jg]
Pressemitteilung EU-Parlament zu LIFE
Europäisches Umweltbüro: www.eeb.org
Offizielle Seite des SBSTTA mit weiteren Informationen
Artikel ProNatura Schweiz: Auf dem Weg zu neuen internationalen Biodiversitätszielen
Artikel EurActiv (zuerst Guardian): Redirect harmful subsidies to benefit the planet, UN urges governments
Biodiversität in Mooren und Feuchtgebieten
Ein Positionspapier über den Schutz und die Wiederherstellung von Mooren innerhalb der EU-Biodiversitätsstrategie haben die Organisation Wetlands International mit dem Greifswald Mire Center vorgelegt. Unterstützt von anderen Organsiationen aus Naturschutz, Wissenschaft und Landwirtschaft enthält das Briefing konkrete Qualitäts- und Quantitätsziele. "Gesunde Moorgebiete, entweder unberührt, wiederhergestellt oder nachhaltig bewirtschaftet" könnten naturbasierte Lösungen zur Erreichung des Europäischen Green Deals und der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 leisten. Torfgebiete seien als die effektivsten Kohlenstoffspeicher der Welt bekannt und wirkten als Wasserreiniger und -reserven in ihrem natürlichen, wiederhergestellten oder nachhaltig bewirtschafteten Zustand. Darüber hinaus seien sie von globaler Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt auf Gen-, Arten- und Ökosystemebene, und
böten Lebensräume und Refugien für gefährdete Arten in einem sich verändernden Klima. Moor-Biodiversität
umfasse eine Reihe von seltenen, bedrohten oder im Rückgang begriffenen Lebensräumen, Pflanzen und Tieren, die in hohem Maße an sehr spezielle Bedingungen angepasst sind, heißt es im Papier. Weiterlesen
Wasservögel im Klimawandel
Studien von Wetlands International und anderen haben ergeben, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen Anzahl und Verteilung ziehender Wasservögel beeinflusst. Demnach nimmt die Anzahl der Arten in Gebieten mit erheblichen hydrologischen Veränderungen ab, insbesondere in Gebieten, in denen der überschwemmte Lebensraum reduziert werde. Die Regionen mit den stärksten Rückgängen seien der Mittelmeerraum, Südwestasien und das südliche Afrika. In Ostafrika führten zusätzlich noch andere bioklimatische Faktoren zu einem stärkeren Rückgang der Artenzahlen. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die größten prognostizierten Arealeinschränkungen vor allem Arten betreffen, die in der Hocharktis brüten, sowie afrotropische Arten. Letzteres sei ein überraschender Befund, da diese Arten bisher als weniger gefährdet galten. Weiterlesen
CBD soll "Wiederbesiedlung" beschließen
Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen hat im Magazin Science angeregt, dass die Vertragsstaaten der UN-Konvention über biologische Vielfalt (CBD) globale Standards für eine "unterstützte Besiedlung" von Gebieten vereinbaren. Darüber berichtet die Weltnaturschutzunion IUCN. Damit soll die physische Umsiedlung von Wildtieren in neue Gebiete, um das Aussterberisiko durch den Klimawandel zu reduzieren, erleichtert werden. Die Gruppe schlägt vor, auf der COP 15 ein technisches Komitee einzusetzen, das Richtlinien und eine Risiko-Nutzen-Bewertung erstellen soll. Daran sollen sich die Staaten gemeinsam beteiligen können, wenn sie solche Maßnahmen in Erwägung ziehen, damit bestehende Schutzstrategien nicht durch mangelnde Voraussicht und Planung behindert würden. Weiterlesen
IUCN World Conservation Congress in Marseille
Die Weltnaturschutzunion IUCN wird ihren Naturschutzkongress vom 3. bis 11. September 2021 in Marseille digital öffnen und auch die Fernteilnahme zulassen. Diejenigen, die nicht in der Lage sind, physisch an der Veranstaltung teilzunehmen, sollen damit die Möglichkeit haben, einige Teile des Kongresses aus der Ferne zu verfolgen und daran teilzunehmen. IUCN Congress website