Keine strengeren Regeln für Reserveantibiotika in der Tierhaltung

Das EU-Parlament hat am Mittwoch einen Einwand gegen die Pläne der EU-Kommission zur Änderung der Tierarzneimittelverordnung abgelehnt. Der Forderung nach einem europäischen Aktionsplan für die Abschaffung von Tierversuchen stimmte das Plenum dagegen zu.
Antibiotika in der Tierhaltung
450 von 686 Abgeordneten stimmten gegen die von Martin Häusling (Grüne/EFA, Deutschland) vorgelegte Forderung, die Liste der nur für die Behandlung von Menschen vorgesehene Antibiotika um wichtige Arzneimittel zu ergänzen (siehe EU-News vom 13.07.2021). Damit sollte die teils präventive Massenbehandlung von landwirtschaftlich genutzten Tieren mit diesen Arzneimitteln verboten werden.
Für Häusling stellt das Abstimmungsergebnis einen „gefährlichen Kompromiss auf Kosten von menschlicher Gesundheit und zugunsten einer unbelehrbaren Agrarlobby“ dar. Auch die Umwelt- und Verbraucherorganisation Germanwatch kritisierte das Votum und forderte die EU-Kommission auf, ihren eigenen Vorschlag und die Kriterien für die Regulierung von Arzneimitteln in der Tierhaltung nun „so streng wie möglich“ auszugestalten. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte: „Die Entscheidung heute legitimiert den Missbrauch von Reserve-Antibiotika bei Tieren, die bei besserer Zucht und Haltung gar keinen massenhaften Antibiotikaeinsatz nötig hätten. Die EU-Abgeordneten vergrößern damit das Risiko für die Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger, die über das Fleisch behandelter Tiere auch auf Menschen übertragen werden und im Krankheitsfall lebensrettende Antibiotika ausschalten können.“
Der von Häusling vorgelegte und vom Umweltausschuss abgenickte Resolutionsentwurf sah vor, dass Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „von kritischer Bedeutung und mit höchster Priorität“ eingestuft werden, nicht in der Tierhaltung erlaubt sein dürfen. In ihren Leitlinien empfiehlt die WHO explizit, diese Antibiotika nicht für die Behandlung von „Lebensmittel liefernden Tieren“ einzusetzen. Im Vorfeld der Plenarabstimmung hatte es heftige Diskussionen um die möglichen Folgen des Einwands gegeben. So hatten Tierärzteverbände kritisiert, dass die Einzeltierbehandlung von Haustieren durch ein solches erweitertes Verbot in Gefahr gerate. Diese Befürchtung hatte unter anderem Germanwatch in einem Hintergrundpapier widerlegt (siehe EU-News vom 09.09.2021).
Aktionsplan gegen Tierversuche
Mit einer großen Mehrheit sprachen die Abgeordneten des EU-Parlaments sich in der gleichen Sitzung am Mittwoch dafür aus, einen EU-weiten Aktionsplan für den Ausstieg aus der Verwendung von Tieren in Forschung und Tests zu erstellen. Die EU-Kommission solle „ehrgeizige und erreichbare Ziele“ sowie konkrete Zeitpläne dafür vorlegen, „ohne das Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu senken.“
Dafür brauche es ausreichende finanzielle Mittel zur Entwicklung alternativer Testmethoden und Schulungen für Wissenschaftler*innen und Forscher*innen für die Anwendung tierversuchsfreier Modelle.
Troy Seidle, Vizepräsidentin für Forschung und Toxikologie bei der Humane Society International, bezeichnete die Abstimmung des Parlaments als „eine historische Chance, Tierleid aus der Gleichung herauszunehmen und den Fokus auf moderne, für den Menschen relevante Technologien zu verlagern.“
Über 100 Tierschutzorganisationen aus 24 EU-Staaten, darunter Eurogroup for Animals und die Humane Society International/Europe, hatten sich für die Verabschiedung der Resolution eingesetzt. Die Gruppen forderten die Kommission auf, den Aktionsplan nun zu einer Priorität zu machen. [km]
Ergebnis der Abstimmung zur Tierarzneimittelverordnung (S. 8, erster Eintrag)
Martin Häusling: Reserveantibiotika: Böses Erwachen befürchtet
Germanwatch: EU-Parlament verpasst Chance auf bessere Antibiotika-Regeln
EU-Parlament: MEPs demand EU action plan to end the use of animals in research and testing
100 Gründe für eine bessere EU-Tiertransportverordnung
Die Tierschutzorganisation Animals' Angels schlägt in einem neuen Bericht vor, wie die EU-Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen überarbeitet werden kann, damit sich die Bedingungen von Tiertransporten in der EU tatsächlich verbessern. Neben kürzeren Transportzeiten spielen dafür auch Platz in den Transportfahrzeugen und die Versorgung mit Futter und Wasser eine wichtige Rolle. Insgesamt formuliert die Organisation 100 Forderungen an die Verordnung.