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Umwelt, Wasser, Kreislaufwirtschaft: Der Mission Letter für Jessika Roswall
EU-News | 16.10.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Chemikalien #EU-Umweltpolitik #Kreislaufwirtschaft #Wasser und Meere

Umwelt, Wasser, Kreislaufwirtschaft: Der Mission Letter für Jessika Roswall

Portrait von Jessika Roswall
© European Union, 2024 (Bogdan Hoyaux)

Unsere Mini-Serie über die Inhalte der Mission Letters startet mit der Aufgabenbeschreibung der künftigen Umweltkommissarin. Designiertes Kommissionsmitglied für den Posten der EU-Kommissarin für Umwelt, Wasserresilienz und eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft ist die Schwedin Jessika Roswall.

Wer ist Jessika Roswall?

Die derzeitige schwedische Ministerin für EU-Angelegenheiten und Ministerin für Nordische Zusammenarbeit aus dem bürgerlich-konservativen Spektrum (Moderata samlingspartiet, Fraktion EVP) soll für den „wichtigen Schutz unserer Umwelt und ein Bewusstsein dafür, dass es keine nachhaltig intakte Wirtschaft ohne intakte Umwelt gibt” zuständig sein. Das jedenfalls hat die EU-Kommissionspräsidentin im September bei der Präsentation ihres neuen Teams gesagt (EU-News 18.09.2024). Roswall (Biography) soll für eine stärker kreislauforientierte und wettbewerbsfähige Wirtschaft werben. Der nachhaltige Umgang mit Wasser ist laut EU-Kommissionspräsidentin eine „wichtige Priorität für die kommenden Jahre”, heißt es im Mission letter to Jessika Roswall.

Die Anhörung vor dem EU-Parlament findet am 5. November von 18.30-21.30 Uhr mit dem federführenden Umweltausschuss (ENVI) statt. Außerdem beteiligt sind der Binnenmarktausschuss (IMCO), der Landwirtschaftsausschuss (AGRI) und der Industrieausschuss (ITRE). Mehr zum Hintergrund und bereits schriftlich gestellte Fragen.

Was steht im Mission letter?

In eine Art Präambel zu den Inhalten (nach der Aufzählung, wie die Kommission generell in der neuen Legislatur zusammenarbeiten soll) heißt es: „Klima- und Naturschutz sind für Wohlstand und Gesundheit von entscheidender Bedeutung. Die Verbesserung des Naturkapitals in Europa ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Prioritäten, vom Klimawandel über Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu Ernährungssicherheit und -souveränität. Der Verlust der Natur ist gleichbedeutend mit einem Verlust an Widerstandsfähigkeit. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere natürliche Welt weiterhin schützen und unsere Kreislaufwirtschaft in allen Bereichen fördern, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und einen gesünderen Planeten zu schaffen.“

  • Sollte Roswall bestätigt werden, wäre ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die EU die Ziele des europäischen Grünen Deals einhält, schreibt von der Leyen in ihrem Mission letter. Der Schwerpunkt soll auf der Umsetzung des Rechtsrahmens liegen, wobei Roswall sich auf „Anreize, Investitionen und eine effektive, einfache Umsetzung“ konzentrieren soll.
  • Im Rahmen Ihres Beitrags zum Clean Industrial Deal soll Roswall gemeinsam mit dem für Wohlstand und Industriestrategie zuständigen Exekutivvizepräsidenten die Federführung bei der Ausarbeitung eines Gesetzes über die Kreislaufwirtschaft übernehmen, das Maßnahmen zur Schaffung einer Marktnachfrage nach Sekundärrohstoffen und zur Schaffung eines Binnenmarktes für Abfälle, insbesondere in Bezug auf kritische Rohstoffe, vorsieht. Hinzu kommt eine aktualisierte Strategie für die Bioökonomie. Die Entwicklung eines Binnenmarktes für nachhaltige Produkte soll verstärkt werden.
  • Auch das Ziel der Nullverschmutzung steht auf der Agenda Roswalls. Zusammen mit dem für Wohlstand und Industriestrategie zuständigen Exekutivvizepräsidenten soll die Schwedin deshalb an einem neuen Paket für die chemische Industrie arbeiten, das auf eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsselindustrie abzielt. Dieses Paket wird die REACH-Verordnung vereinfachen und Klarheit über PFAS, die „Ewigkeitschemikalien“, schaffen, wobei die Aspekte Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Schutz berücksichtigt werden.
  • Konzentrieren soll sich Roswall auf die Durchsetzung und Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften in den Bereichen Umwelt, biologische Vielfalt und Nullverschmutzung und dabei die Bedeutung der Vereinfachung und des Dialogs mit den Interessengruppen berücksichtigen.
  • Was Naturschutzfinanzierung angeht, soll sich die Schwedin vorrangig mit der Gestaltung von Anreizen für naturfördernde Maßnahmen und private Investitionen befassen. Sie soll die Arbeit zu Naturkrediten in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, internationalen Partnern und Organisationen leiten. 
  • Eine Europäische Strategie für die Wasserresilienz soll die Wassersicherheit in Europa stärken. Die Strategie soll sich mit Wassereffizienz, Wasserknappheit, Wasserverschmutzung und wasserbezogenen Risiken befassen. Ziel ist außerdem, den innovativen Wettbewerbsvorteil der europäischen Wasserindustrie zu verbessern, unter anderem durch saubere Technologien, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung. Zudem sollen öffentliche und private Investitionen in Technologie und grenzüberschreitende Wasserinfrastruktur erleichtert werden.
  • Zu den Aufgaben von Roswall gehört auch, die globale Führungsrolle Europas im Bereich Wasser zu stärken, insbesondere durch die Unterstützung von Global-Gateway-Projekten zur Stärkung der Wasserinfrastruktur in Partnerländern
  • Europa soll auf internationaler Ebene seine führende Rolle behalten, auch, was die Verpflichtungen im Bereich der biologischen Vielfalt angeht, insbesondere die im Montrealer Abkommen von Kunming eingegangenen. Roswall soll sich außerdem für ein ehrgeiziges globales Abkommen über Kunststoffe einsetzen und die Umsetzung des Hochseevertrags (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, BBNJ) unterstützen.
  • Roswall soll einen Beitrag zum neuen Klimaanpassungsplan leisten und sich insbesondere mit dem integrierten Risikomanagement von Waldbränden durch landschafts- und ökosystembasierte Prävention befassen. Die Schwedin soll auch an der Vision für Landwirtschaft und Ernährung mitarbeiten.
  • Das Neue Europäische Bauhaus – die Initiative im Rahmen des Green Deal, durch die Verbindung von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technologie neue Wege finden, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden kann – soll gemeinsam mit anderen zuständigen Kommissionsmitgliedern weiterentwickelt werden. Es soll Impulsgeber für den Übergang werden und dabei besondere Konzentration auf Innovation, biobasierte Materialien und Kreislaufwirtschaft, Wohnungsbau und bebaute Umwelt, Finanzierung sowie den Aufbau einer Gemeinschaft in ganz Europa legen.

Die Umweltkommissarin ist - wie die Ressorts Klima und Energie - der Exekutivvizekommissionspräsidentin für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang (designiert: Teresa Ribera) untergeordnet. 

Reaktionen aus Umweltverbänden

Einschätzung des Klimaaktionsnetzwerkes CAN Europe

CAN Europe hat als einer der ersten Verbände eine schnelle Reaktion auf die Veröffentlichung im September auf Social Media (X) veröffentlicht und dabei mit einem Dreifarbschema gearbeitet. Als positiv (grün = „Loved to see!”) bewertet das Klimaschutzaktionsnetzwerk, dass der Arbeitsauftrag für die künftige EU-Umweltkommissarin die direkte Beziehung zwischen Naturzustand und Resilienz anerkennt und sie eine starke Unterstützung für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem UN-Biodiversitätsabkommen erhält. Eher mittelmäßig (gelb = in Anhörung dringend hinterfragen) findet CAN Europe dies: 

  • Das Konzept der „Nature Credits“ und einen rein marktbasierten Ansatz in Bezug auf Natur und Biodiversität;
  • es fehlt der Hinweis darauf, dass es notwendig ist, den Einsatz materieller Ressourcen zu reduzieren;
  • es fehlt der Verweis auf die Wiederverwendung/Reparatur von Produkten oder auf eine erweiterte Herstellerverantwortung

Als die „rote Linie von CAN Europa überschreitend“ (= rot) stuft das Netzwerk keinen Punkt ein. Das ist bei anderen Kommissionszuschnitten anders (vollständiger X-Thread).

Einschätzung des Europäischen Umweltbüros (EEB)

Der europäische Umweltdachverband Europäisches Umweltbüro (EEB) hebt hervor, dass der Green Deal und seine Ziele als Erfolgsmaßstab für die neue Kommission gesetzt wird. Und dass Rosswal sich auf wirtschaftliche Anreize konzentrieren soll, könnte auch dazu genutzt werden, um Umweltsteuern und andere Preisgestaltungsinstrumente wie die erweiterte Herstellerverantwortung, Gebühren und ähnliches voranzutreiben.

Was das Thema Kreislaufwirtschaft angeht, nennt das EEB es zwar „ermutigend“, dass es ein Schwerpunkt sein soll. Allerding spiegelt der Mission Letter für Jessika Roswall die in den politischen Leitlinien van der Leyens enthaltenen Idee wider: Kreislaufwirtschaft gilt rein als Wettbewerbsfaktor. „Dieser überholte Ansatz beschränkt die Kreislaufwirtschaft auf die Abfallbewirtschaftung und das Recycling und lässt dabei wichtige Elemente wie Vermeidung, Wiederverwendung und Reparatur außer Acht. Dieser enge Fokus birgt die Gefahr, dass die umfassenderen Vorteile einer echten Kreislaufwirtschaft untergraben werden, einschließlich ihres Potenzials, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern.“ Dem EEB fehlt im Mission Letter („something is fishy“), dass „der EU-Abfallhierarchie und dem grassierenden Überkonsum auf dem Kontinent“ zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. 

Die jüngsten verheerenden Überschwemmungen zeigten außerdem, wie unvorbereitet die EU auf die Auswirkungen des Klimawandels ist. „Roswall trägt eine große Verantwortung für den Schutz und die Wiederherstellung der europäischen Süßwasser-Ökosysteme, um eine wasserresistente Zukunft zu gewährleisten, die sauberes und ausreichendes Wasser für die kommenden Generationen bereitstellt“, mahnt das EEB. Dies erfordere die strikte Durchsetzung bestehender Umweltgesetze wie der Wasserrahmenrichtlinie und einen systemischen Ansatz, um die Ursachen der dreifachen Krise in Bezug auf Klima, biologische Vielfalt und Umweltverschmutzung anzugehen. [jg]

Mission letter Jessika Roswall 

CAN Europe: Proposed New College Must Leave No Room For Climate Retreat

EEB: COMMISSIONER WHO!? 

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