Vertragsverletzungsverfahren: Deutschland ohne Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Nachhaltiges Finanzwesen, allergene Duftstoffe in Spielzeug oder die Behandlung von Saatgut: Die EU-Kommission hat Verfahren gegen Mitgliedstaaten angestrengt, die EU-Recht nicht fristgemäß umgesetzt haben. Neben Deutschland sind 23 andere Staaten betroffen. EU will Gelder für Ungarn wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit einfrieren.
Die EU-Kommission leitet eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren ein, weil es keine Bestätigung gab, dass EU-Recht in nationales Recht umgesetzt worden ist. Es geht um 24 Mitgliedstaaten und die (Nicht-)Umsetzung von zehn EU-Richtlinien, deren Umsetzungsfrist zwischen dem 1. Juli und dem 31. August 2022 endete.
Belgien, Deutschland, Ungarn, Spanien und Slowenien haben die EU-Vorschriften zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren und -zielen in Produktüberwachungsprozesse, insbesondere bei Wertpapierfirmen, noch nicht umgesetzt. Wegen „Nichtmitteilung“ erhalten sie eine Art blauen Brief von der EU-Kommission. Ab dem 22. November 2022 müssen laut Delegierter Richtlinie (EU) 2021/1269 der Kommission Unternehmen, die Finanzprodukte herstellen oder vertreiben, dabei nachhaltigkeitsbezogenen Zielen gebührend Rechnung tragen und dafür sorgen, dass Finanzinstrumente mit Nachhaltigkeitsfaktoren für alle Kund*innen leicht verfügbar bleiben. Es geht dabei um auf Umwelt und Soziales ausgerichtete Nachhaltigkeitsziele. Allerdings gibt es in den genannten Staaten noch keine nationale Rechtsvorschrift dafür.
Zypern wiederum hat die beiden EU-Richtlinien ((EU) 2020/2088 und (EU) 2020/2089) über allergene Duftstoffe in Spielzeug nicht bis Juli 2022 in nationales Recht umgesetzt. In der EU gilt eine die Liste mit 55 verbotenen Duftstoffen, weitere 61 allergene Duftstoffe müssen ab einer bestimmten Konzentration auf dem Spielzeug angegeben werden. Unternehmen, die Spielzeug verkaufen, müssen die Kennzeichnungsvorschriften und Verbote einhalten.
Ungarn hat die Bedingungen für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Hybridweizensaatgut laut Richtlinie (EU) 2021/1927 nicht richtig umgesetzt. Belgien, Kroatien und Ungarn haben die EU-Vorschriften für Saatgut Richtlinie (EU) 2021/971 (Verwendung biochemischer und molekularer Techniken) nicht in nationales Recht übertragen.
Die Mitgliedstaaten müssen binnen zwei Monaten auf die Aufforderungsschreiben antworten und die Umsetzung der Richtlinien abschließen, wenn sie den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren umgehen wollen.
Ungarn und die Rechtsstaatlichkeit: EU will Finanzmittel einfrieren
Die EU-Kommission hat am 18. September vorschlagen, den EU-Haushalt und die finanziellen Interessen der Europäischen Union vor Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn zu schützen. Es geht darum, Zahlungen in Milliardenhöhe aus dem EU-Haushalt an Ungarn auszusetzen. Zum ersten Mal setzt die Brüsseler Behörde diesen Hebel im Rahmen der Konditionalitätsverordnung ein. Die EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit im EU-Rat aber noch zustimmen. [jg]
EU-Kommission: Nichtumsetzung von EU-Rechtsvorschriften: Kommission ergreift die Initiative
Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit: EU-Kommission will Zahlungen aus EU-Haushalt an Ungarn aussetzen
Nachhaltige Finanzen: zwei Studien vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
„Green Budgeting – internationale Ansätze zur Umweltorientierung öffentlicher Finanzen“ betrachtet internationale Beispiele guter Praxis und gibt Anhaltspunkte für die Umsetzung in Deutschland, die noch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Insbesondere in Frankreich, aber auch in Dänemark, Italien und Irland wurden bereits wichtige Erfahrungen gesammelt, die hierzulande genutzt werden könnten, um besonders umweltschädliche Finanzflüsse zu identifizieren und Zielkonflikte aufzulösen. Die zweite Studie „Green Budgeting in Deutschland: Handlungsbedarf, Anknüpfungspunkte und Erfolgskriterien“ zeigt die enorme Inkonsistenz zwischen öffentlichen Finanzen und den Umwelt- und Klimazielen in Deutschland.