Waldflächen schwinden rapide
Nicht nur in Brasilien werden massenhaft Bäume abgeholzt, auch der Verlust der Waldflächen in Europa nimmt abrupt zu, hat eine Forschergruppe herausgefunden. Um wenigstens die letzten Urwälder Rumäniens zu schützen, hat Euronatur 122.000 Protestunterschriften übergeben. Und die Waldschutzorganisation FERN unterstützt nicht nur Indigene und Nichtregierungsorganisationen in Brasilien, sondern fordert auch, dass die biologische Vielfalt der Wälder in Europa besser geschützt wird.
Neue Studie: Die steigende Nachfrage nach Forstdienstleistungen und -produkten, angetrieben von der Bioökonomie, hat dazu geführt, dass im Vergleich zum Zeitraum 2011-2015 zwischen 2016 und 2018 die Verlustrate an Biomasse in Europas Wäldern um mehr als zwei Drittel angestiegen ist (um 69 Prozent). Diesen alarmierenden Anstieg hat eine Forschergruppe anhand von feinskalierten Satellitendaten errechnet. Die Ergebnisse ihrer Forschungen haben die Wissenschaftler im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht. Im Vergleich zum Zeitraum 2011-2015 wurde außerdem 49 Prozent mehr Holz geerntet. Die größten Verluste gab es auf der Iberischen Halbinsel sowie in den nordischen und baltischen Ländern. Die verwendeteten Satellitenbilder zeigten ferner, dass die durchschnittliche Größe der abgeernteten Flächen in ganz Europa um 34 Prozent zugenommen hat. Mit all den möglichen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, Bodenerosion und die Wasserregulierung. Der Anstieg der Abholzung sei das Ergebnis der jüngsten Ausweitung der Holzmärkte. Wenn es weiter so eine hohe Ernterate gebe, behindere dies die EU-Politik des waldbasierten Klimaschutzes ab 2020. Und die zusätzlichen Kohlenstoffverluste aus Wäldern würden zusätzliche Emissionsreduktionen in anderen Sektoren erfordern, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, warnen die Forscher.
Petition zur Rettung der rumänischen Paradieswälder: Mehr als 122.000 Menschen - aus Rumänien und der gesamtem EU - haben von der rumänischen Regierung den sofortigen Abholzungsstopp für alle potentiellen Ur- und Naturwälder gefordert. In einer Petition, die die Stiftung EuroNatur und ihre rumänische Partnerorganisation Agent Green initiiert und am 30. Juni überreicht haben, fordern sie effektiven Schutz der Wälder in Schutzgebieten, die Einsetzung einer kompetenten und öffentlich finanzierten Nationalpark-Verwaltung sowie die Entwicklung einer nationalen Strategie für Ökotourismus. "Vor allem jetzt, nachdem die Europäische Kommission auf unsere Beschwerde hin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eingeleitet hat, und wir noch immer keine klaren Maßnahmen von Seiten der rumänischen Regierung sehen, ist es wichtig deutlich zu machen, wie viele Menschen eine Veränderung erwarten. Wir stecken mitten in einer globalen Klima- und Biodiversitätskrise. Um dieser entgegenzuwirken, ist der effektive Schutz aller alten Wälder in der EU unabdingbar. Deshalb erwarten wir, dass die rumänische Regierung sehr schnell aktiv wird", sagte Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer der Stiftung EuroNatur. Das muss die rumänische Regierung nicht zuletzt deshalb, weil die EU-Kommission eine begründete Stellungnahme veröffentlicht und Rumänien unter Androhung einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof aufgefordert hat, endlich tätig zu werden.
"Biodiversity first": Die Waldschutzorganisation FERN hat ein Politikbriefing erarbeitet, dass den Schutz der biologischen Vielfalt und die Verbindungen zum Klimaschutz knapp zusammenfasst. Da die Europäische Union sich verpflichtet hat, bis 2050 CO2-neutral zu werden, müssten sowohl die Treibhausgasemissionen drastisch reduziert als auch der Abbau von Kohlendioxid (negative Emissionen) erhöht werden. Biodiversitäts- und Klimadebatten müssten dabei unbedingt zusammengedacht werden. Und das sei auch möglich, denn "der billigste, wirksamste und am leichtesten verfügbare Weg zur Beseitigung von Kohlendioxid" bestehe darin, die europäischen Wälder und andere natürliche Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen.
Waldschutz ist politikübergreifend, weltweit, europäisch und national
Zusammen mit vielen anderen Organisationen unterstützt FERN eine Stellungnahme gegen einen Gesetzesvorschlag des brasilianischen Gouverneurs von Mato Grosso Mauro Mendes, dessen Vorstoß die Nutzung der Territorien der indigenen Bevölkerung durch Externe für Land- und Forstwirtschaft ermöglichen würde. Diese Maßnahme werde die Entwaldung verstärken und Konflikte, Gewalt und Invasionen in mindestens 27 Gebieten sowie in 29 anderen Gebieten, die von den indigenen Völkern von Mato Grosso als ihre ursprünglichen Länder beansprucht werden, verschärfen. Die Abholzung der brasilianischen Regenwälder hat unter der Regentschaft des Präsidenten Jair Bolsonaro drastisch zugenommen (Süddeutsche). Zudem wüten laut Medienberichten am Amazonas aktuell die schlimmsten Brände seit 13 Jahren (tagesschau). Auf der Internetseite von Rettet den Regenwald gibt es Petitionen, die zum Schutz des brasilianischen Regenwaldes und seiner Bewohner*innen dienen.
Wer die Wälder wirklich schützen will, muss über den politischen Tellerrand hinausdenken. Mit der im Rahmen des Green Deal angekündigten EU-Forststrategie - coronabedingt voraussichtlich im ersten Quartal 2021 (EU-News 28.05.2020) - ist es nicht getan. Eine EU-Biodiversitätsstrategie 2030 allein wird es nicht richten (EU-News 20.05.2020). Der Konsum und die Produktion müssen auf den Prüfstand - entwaldungsfreie Lieferketten (Debatte im Umweltausschuss des EU-Parlaments) oder der Verzicht auf Palmöl (Kritik von T&E) sind dafür nur ein erster Schritt. Am 6./7. Juli will der Umweltausschuss des EU-Parlaments über den Entwurf eines Berichts über die Rolle der EU beim Schutz und der Wiederherstellung der Wälder der Welt abstimmen.
Anlässlich des "Tages der Buchenwälder" am 25. Juni hatten sich Repräsentant*innen aus Natur- und Umweltschutz und der Wissenschaft mit einem Appell an die Bundesministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze gewandt. Verbände wie Robin Wood und viele andere DNR-Mitglieder wie B.A.U.M., die Succow Stiftung, DUH, BUND, NABU, WWF und auch der Umweltdachverband selbst forderten von den Ministerinnen, mehr für den Schutz der Buchenwälder in Deutschland und Europa zu tun. Der "schlechte Zustand der Buchenwälder" sei Anlass für "große Besorgnis" - die Unterzeichnenden forderten in einem offenen Brief eine ambitionierte europäische Waldstrategie. [jg]
Fachartikel mit weiteren Links in Nature