Parlament wählt neue EU-Kommission: Von der Leyens Team steht
Das EU-Parlament hat das Team der Kommissarinnen und Kommissare für die zweite von Ursula von der Leyen angeführte Kommission angenommen. Das Kollegium soll am 1. Dezember sein Amt antreten. Umweltverbände fordern die umwelt- und sozialverträgliche Fort- und Umsetzung des europäischen Green Deals.
Habemus Kommission – das Team der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann seine Arbeit aufnehmen. Das EU-Parlament hat der Besetzung am 27. November der „vdL II-Kommission“ - trotz einiger umstrittener Personalfragen - mit 370 Ja-Stimmen, 282 Nein-Stimmen und 36 Enthaltungen zugestimmt.
In ihrer Rede vor der Abstimmung betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass viele Herausforderungen und durchaus schwierige Entscheidungen anstünden in einem Europa, dass für Freiheit und Souveränität stehen und wohl auch kämpfen müsse. Angesichts der heutigen konfliktbeladenen Welt sei Einigkeit deshalb umso wichtiger. Sie nannte Wettbewerbsfähigkeit mit den drei Säulen Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit als „Kompass“ für die nächsten fünf Jahre. Ihr Team, für das sie um Vertrauen bat, sei „wahrhaft europäisch“. „Wir sind bereit, uns sofort an die Arbeit zu machen“, sagte sie. An den Zielen des europäischen Green Deals werde sie festhalten.
In der anschließenden Debatte forderten einige Abgeordnete, dass die neue Kommission die Herausforderungen, vor denen Europa steht, schnell angehen müsse. Neben der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Green Deal gelte es auch, die Energieunabhängigkeit zu gewährleisten und eine Verteidigungsunion als Reaktion auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine aufzubauen. Andere Abgeordnete signalisierten ihre Ablehnung gegenüber dem neuen Kollegium.
Die Fraktionen im EU-Parlament stimmten nicht mit einer Stimme ab. Laut Abstimmungsprotokoll haben beispielsweise nur 33 von 78 Abgeordneten der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR) für die EU-Kommission gestimmt. Die noch weiter rechts stehenden Patrioten für Europa (PfE) sowie die Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN) stimmten geschlossen gegen das Kollegium. Ebenso wie die Linke. Einige spanische EVP-Abgeordnete, 25 Parlamentarier*innen aus der S&D und 19 Grüne stimmten ebenfalls gegen das Team. Aus fast jeder Fraktion kamen auch Enthaltungen. Das Ergebnis ist eine nicht unbedingt hauchdünne Mehrheit bei den Befürwortern (370), der Anteil ablehnender Stimmen (282) ist aber auch nicht gering.
„Wir haben es geschafft“, war dennoch die erste Botschaft der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP, Malta) nach der Wahl in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ursula von der Leyen. Angesichts der geopolitischen Turbulenzen sei es eine „Abstimmung des Vertrauens“ und eine „Stimme für Stabilität“ des EU-Parlaments gewesen. Von der Leyen selbst kommentierte: „Heute ist ein guter Tag für Europa“.
Reaktionen: „Die ersten 100 Tage werden zeigen, ob ein grüner und sozialer Impuls überlebt“, „Green Deal jetzt effektiv und sozialgerecht umsetzen“
Der Direktor des EU-Büros von Greenpeace, Jorgo Riss, blickte bei einer ersten Bewertung eher skeptisch in die Zukunft, bei der eine „bunt zusammengewürfelte Mannschaft“ in einem „Meer von nie dagewesenen Gefahren und Unsicherheiten in verschiedene Richtungen rudern“ dürfte. Die ersten 100 Tage dürften zeigen, ob „ein grüner und sozialer Impuls überlebt“, um Lebenshaltungskosten, unsichere Arbeitsplätze und extreme Klimaauswirkungen in den Griff zu bekommen. „Versprechungen für eine sauberere und intelligentere Mobilität, bessere Wohnungen, eine gerechtere Landwirtschaft, die Nachhaltigkeit belohnt, und eine Kreislaufwirtschaft, die Europas Abhängigkeit von Rohstoffen verringert, kollidieren bereits mit Zusagen, die Umwelt- und Sozialstandards für Verschmutzer zu senken, unbegrenztes Wachstum für Großunternehmen auf Kosten der Arbeitnehmer zu sichern und Freihandel um jeden Preis zu betreiben“, so Riss.
Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßte die Wahl der neuen EU-Kommission und mahnte an, den europäischen Green Deal jetzt effektiv und sozialgerecht umzusetzen. Die vdL-Kommission müsse nicht nur für Planungssicherheit beim Green Deal einstehen, sondern auch die Prinzipien von Demokratie und Rechtstaatlichkeit verteidigen. Die Streitigkeiten um die Wahl der designierten EU-Kommissar*innen haben gezeigt, dass die Konservativen bereits mit Mehrheiten unter Beteiligung rechtsextremer Parteien liebäugeln.
DNR-Präsident Kai Niebert betont: „In diesen politisch unruhigen Zeiten ist es besonders wichtig, dass die demokratischen Kräfte in der Europäischen Union konstruktiv zusammenarbeiten. Wir rufen die Europäische Volkspartei mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber auf, zur Brandmauer gegen rechts zu stehen. Die Priorität dieser Legislatur ist klar: Die EU muss sich weiterhin zukunftsfähig aufstellen. Es gilt, den Green Deal ambitioniert umzusetzen und weiterzuentwickeln – das geht nur mit einer demokratischen Mehrheit jenseits von Klimaleugnern und Rechtsextremen.”
Ein zentrales Projekt der neuen EU-Kommission sei der Clean Industrial Deal für eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Industrie. Dieser Vorstoß könne nur gelingen, wenn die Klima- und Transformationsförderung an klare sozial-ökologische Bedingungen geknüpft werde, so der DNR. Europäische Gelder müssten den Technologien zugutekommen, die kostengünstig, klimaschonend und langanhaltend Emissionen senken. Teil des Clean Industrial Deal müsse auch ein ehrgeiziges Klima-Zwischenziel für 2040 sein, welches gleichzeitig natürliche Senken schütze und stärke.
„Um den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt effektiv einzudämmen, muss die neue EU-Kommission zudem ambitioniert auf den Empfehlungen des Strategischen Dialogs zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft aufbauen. Sämtliche Fördermittel der EU-Agrarpolitik müssen konsequent auf die Honorierung klar definierter Umweltleistungen der Landwirtschaft ausgerichtet werden. Für die zügige Umsetzung des Weltnaturabkommens sowie der Ziele zur Wiederherstellung der Natur ist zudem ein eigenständiger EU-Naturschutzfonds dringend notwendig“, so der Umweltdachverband abschließend. [jg]
EU-Parlament: Parliament approves the “von der Leyen II” Commission sowie Pressekonferenz Metsola/von der Leyen
Greenpeace: Which way will wind blow as new EU Commission enters troubled waters?
DNR: Neue EU-Kommission gewählt: Green Deal jetzt effektiv und sozial gerecht umsetzen!
ENDS Europe (kostenpflichtig): Parliament approves new Commission with partial ECR backing
dpa-Europaticker: EU-Parlament gibt grünes Licht für von der Leyens Kommission
Die vdL II-Kommission 2024-2029
1. Reihe: Raffaele Fitto, Henna Virkkunen, Teresa Ribera Rodriguez, Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, Ursula von der Leyen, Kaja Kallas, Stéphane Séjourné, Roxana Mînzatu ;
2. Reihe: Dubravka Šuica, Valdis Dombrovskis, Hadja Lahbib, Apóstolos Tzitzikóstas ;
3. Reihe: Jessika Roswall, Olivér Várhelyi, Marta Kos, Michael McGrath, Ekaterina Zaharieva;
4. Reihe: Wopke Hoekstra, Andrius Kubilius, Maria Luís Albuquerque, Magnus Brunner, Costas Kadis;
5. Reihe: Piotr Serafin, Maroš Šefčovič, Jozef Síkela, Christophe Hansen, Glenn Micallef und Dan Jørgensen.
(jeweils von links nach rechts)